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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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Maidstone sein Leben für immer verändert hatte.
    Die Aussicht auf eine schöne Uniform, ein Dach über dem Kopf, drei ordentliche Mahlzeiten am Tag und nicht zu vergessen die zwei Guineen Handgeld waren dem heimatlosen jungen Mann, der immer auf der Flucht vor den Zollbeamten war, wie ein Traum vorgekommen, der nun endlich in Erfüllung ging. Und so war Nathaniel Jago an einem warmen Nachmittag im Frühsommer in den Dienst des Königs getreten und in den Krieg gezogen. Übers flache Land in Flandern, durch die undurchdringlichen Dschungel der Westindischen Inseln, über die staubigen Ebenen Indiens war Jago marschiert und hatte überall auf der Welt gekämpft und seinem Land zunächst als einfacher Soldat, dann als Sergeant gute Dienste geleistet.
    Und Hawkwood ebenfalls.
    Gemeinsam hatten sie unter Nelsons Kommando in Kopenhagen dem Feind die Stirn geboten, waren mit Black Bob Crauford durch Nord- und Südamerika marschiert und hatten unter Moore in Spanien und Portugal gekämpft Jago hatte neben Hawkwood auf dem Festungswall von Montevideo gestanden und ihm vor Rolica und Vimieiro den Rücken gedeckt. Bei Talavera hatten beide mit Entsetzen mit ansehen müssen, wie die Coldstream Guards und des Königs Deutsche Legion dem Gegenangriff der Franzosen zum Opfer gefallen waren.
    Im Karree von Blatchington und Shorncliffe war diese Freundschaft geschmiedet worden. Zehn lange Jahre hatte Jago an Hawkwoods Seite Scharmützel und Schlachten überstanden. Immer war er ihm ein treuer Verbündeter gewesen und hatte neben ihm in der sengenden Hitze der spanischen Hochebenen in der Feldküche gegessen und mit ihm zitternd vor Kälte unter einer Decke in den Bergen gelegen. Und Jago war aus Loyalität zu Hawkwood zum flüchtigen Rechtsbrecher geworden.
    Denn als sich Hawkwood in den Bergen den Guerilleros angeschlossen hatte, war Jago aus seiner Einheit desertiert und ihm gefolgt. Hawkwood hatte vergeblich versucht, den Sergeant zur Rückkehr zu überreden. Jago hatte ihm einfach ins Gesicht gelacht.
    »Dafür ist es jetzt zu spät, Sir«, hatte er erwidert. »Was erwartet mich denn dort? Mit Deserteuren macht die Armee kurzen Prozess. Ich werde entweder ausgepeitscht oder gehängt. Beides keine sehr erfreulichen Aussichten. Nein, ich bleibe lieber an Ihrer Seite, Sir, wenn’s recht ist. Außerdem brauchen Sie jemanden, der Ihnen den Rücken freihält.«
    »Du bist ein verdammter Idiot, Nathaniel«, hatte Hawkwood gesagt. »Ist es das Risiko wert, hier in den Bergen zu sterben?«
    »Ja, wenn wir ein paar Franzosen mitnehmen«, hatte Jago entgegnet und grinsend hinzugefügt: »Die Armee kommt gut ohne Jago aus. Sie hingegen … na, geben Sie’s doch zu, Cap’n. Sie würden mich vermissen.«
    Diesen im Scherz dahingesagten Worten hatte Hawkwood nichts entgegenzusetzen gehabt, denn er wusste, dass ihm der Sergeant ebenso unersetzlich war wie sein Gewehr oder sein Degen. Er brauchte Jagos Unterstützung in seinem persönlichen Krieg gegen die Franzosen. Also hatte sich Hawkwood geschlagen gegeben. Seitdem hatten die beiden nie wieder über dieses Thema geredet.
    Bis zu jenem Tag, an dem sich Hawkwood zur Rückkehr nach England entschlossen hatte.
    Ende September – der erste Schnee war in den Bergen schon gefallen – hatte Hawkwood Jago seinen Entschluss am Lagerfeuer mitgeteilt und war erstaunt gewesen, als der Sergeant gleichmütig reagiert und nur eine Frage gestellt hatte: »Wann geht’s los?«
    Es war ihnen gelungen, zwei Passagen auf einem Handelsschiff nach London zu ergattern. Vor der Küste von Kent war Jago an der Mündung des Medway im Morgengrauen von Bord gesprungen, weil Militärpolizisten regelmäßig ankommende Schiffe nach Deserteuren durchsuchten. Hawkwood hatte Jago ans Ufer schwimmen sehen und den Verlust seines treuen Freundes sehr bedauert.
    Hawkwood hatte angenommen, dass der Sergeant in das ihm vertraute Gebiet der Sümpfe von Kent zurückkehren und dort wieder wie früher als Schmuggler ein neues Leben beginnen würde. Er hatte keine Angst, dass Jago je gefasst werden würde, dafür war der Sergeant zu gerissen. Er wusste aber auch, dass Jago mit ihm in Verbindung treten würde, sollte er es für nötig halten.
    Und so war es auch gekommen. Hawkwood hatte nichts mehr von Jago gehört, bis er während seiner ersten Monate als Runner das Gerücht aufgeschnappt hatte, Sergeant Jago habe sich doch nicht in den Salzsümpfen niedergelassen, sondern sei den Verlockungen der Großstadt gefolgt.
    Londons

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