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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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war. Mord ist etwas anderes als der Diebstahl eines Brotlaibs.«
    »Erklären Sie das mal dem Richter«, knurrte Jago. »Unsereins wird doch für beides gehängt.«
    Hawkwood schüttelte den Kopf. »Ich würde nie einen Mann festnehmen, der einen Laib Brot für seine Familie stiehlt.«
    »Wenn das so ist«, murmelte Jago, »dann sind Sie aber in der Minderheit.« Er musterte Hawkwood durchdringend. »Wissen Sie, Cap’n, mir fällt auf, dass dies zu einer verdammten Gewohnheit wird.«
    »Was?«
    »Dass Sie zu mir kommen und mich um einen Gefallen bitten, weil wir früher Waffengefährten waren. So geht das nicht.«
    »Hast du nicht gesagt, es sei dir stets eine Freude, mich zu empfangen?«, entgegnete Hawkwood lächelnd.
    »O Mann!«, konterte Jago schlagfertig. »Eins muss man Ihnen lassen: Ihren Humor haben Sie nicht verloren.«
    »Ich leugne ja nicht, dass es mir leichter fällt, dich um einen Gefallen zu bitten, weil wir uns schon so lange kennen. Man nimmt, was man kriegt.«
    »Und im Augenblick haben Sie nur mich«, folgerte Jago.
    Hawkwood lächelte wieder und erzählte dann, dass Lomax und seine Patrouille die Spur der flüchtenden Straßenräuber verloren hatten.
    »Diese blöden Kavalleristen«, erwiderte Jago. »Was haben Sie denn erwartet? Die finden nicht einmal ihre eigenen Ärsche, auf denen sie sitzen.«
    Hätte Jago Lomax’ bis zur Unkenntlichkeit verstümmeltes Gesicht gesehen, dachte Hawkwood, wäre ihm diese üble Bemerkung wohl im Hals stecken geblieben.
    »Ich bin kein Denunziant, Cap’n.«
    »Das weiß ich«, wisperte Hawkwood.
    »Es bleibt also bei unserer gewohnten Vereinbarung: Eine Hand wäscht die andere?«, seufzte Jago theatralisch und lenkte ein: »Na gut, abgemacht. Was soll ich tun?«
    »Halt einfach Augen und Ohren offen, und lass mich wissen, ob jemand versucht, die Beute zu verhökern.«
    »Mehr nicht?«, hakte Jago argwöhnisch nach.
    »Mehr nicht«, bestätigte Hawkwood.
    »Ihnen ist schon klar, dass ich durch den Umgang mit Ihnen meinen Ruf riskiere?«
    »Du wirst es überleben«, sagte Hawkwood.
    Aus dem Pit drang ein markerschütterndes Heulen, gefolgt vom Aufstöhnen der Zuschauer.
    »Blutrünstige Arschlöcher«, schnaubte Jago verächtlich und beobachtete, wie der besiegte, aus mehreren Wunden blutende Kampfhund laut keuchend von seinem enttäuschten Besitzer aus dem Pit gezerrt wurde.
    Dann merkte Hawkwood, dass Jago den Blick zu einem der Nebentische schweifen ließ. Einer der dort sitzenden Männer, ein stämmiger Kerl mit rasiertem Schädel und einem Gesicht voller Pockennarben, erregte seine Aufmerksamkeit. Der Mann starrte Jago mit unverhohlener Feindseligkeit an. Zu seinen Füßen lag ein riesiger, scheckiger, bösartig dreinblickender Hund. Die breite Schnauze auf den Pfoten, schien er zu dösen, hob jedoch plötzlich seinen mächtigen Schädel und bleckte die rasiermesserscharfen Zähne.
    »Hast du mir was zu sagen, Tom Scully?«, forderte ihn Jago heraus. »Wenn ja, dann spuck’s aus. Bringen wir’s hinter uns.«
    Der mächtige Kerl warf sich in die Brust, ignorierte die ängstlichen Blicke seiner Kumpane und platzte heraus: »Du befindest dich in schlechter Gesellschaft, Jago.«
    »Tatsächlich?«, entgegnete Jago. »Was ihr denkt, kümmert mich einen Scheißdreck.«
    Finster deutete Tom Scully mit dem Kinn auf Hawkwood. »Wir alle haben gehört, dass Dick Brewer den Kerl erkannt hat. Er ist das Gesetz. Er ist ein verdammter Runner, ein Rattenfänger! Wir wundern uns, wie es kommt, dass du mit ihm eine Flasche leerst. So, wie ich das sehe, geht ihr etwas zu vertraut miteinander um.«
    »Mit wem ich trinke, geht nur mich etwas an«, knurrte Jago. »Merkt euch das.«
    »Nicht, wenn er uns die Gendarmen auf den Hals hetzt.«
    »Das wird nicht passieren.«
    »Wer sagt das?«
    »Ich.«
    »Du?«
    »Ja, Scully. Ich. Zweifelst du etwa an meinen Worten?«
    Da merkte Scully, dass er zu weit gegangen war und von seinen Kumpeln im Stich gelassen wurde. Er leckte sich nervös die blutleeren Lippen. Dann lenkte er ein: »Ich will damit nur andeuten, dass es nicht richtig ist.«
    »Du findest es nicht richtig?«, empörte sich Jago und verdrehte die Augen. »Herrgott, Scully! Vieles ist nicht richtig. Es ist nicht richtig, dass Menschen auf den Straßen sterben. Und es kotzt mich an, dass du hier rumjammerst wie ein verdammtes Fischweib. Wenn dir nichts Besseres einfällt, solltest du lieber die Klappe halten, sonst setzen wir unsere Unterhaltung in diesem beschissenen

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