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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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Aufsehen erregen. Der Major hat bereits mit ein paar Goldmünzen und entsprechenden Drohungen dafür gesorgt, dass Lord Mandrakes Dienstbote den Mund halten wird. Und die einzige andere Zeugin, die junge Lady, dürfte kein Interesse daran haben, dass dieser unerfreuliche Zwischenfall bekannt wird.
    Hätte ich jedoch John Rutherford erschossen, wäre der Vorfall nicht zu vertuschen gewesen. Der Major hat sich darüber aufgeregt, dass Rutherford in seiner Dickköpfigkeit auf der Austragung des Duells bestanden hat. Aber bin ich denn besser? Mich hat meine Dummheit in Kombination mit meinen rigorosen Vorurteilen dazu verleitet, dass ich mich auf diese sinnlose Konfrontation eingelassen habe. Und dass ich überlebt habe, verdanke ich dem Zufall und der mangelnden Treffsicherheit meines Gegners. Kurz gesagt, ich habe Glück gehabt.
    Dann dachte Hawkwood an James Read. Der Oberste Richter war ein strenger, aber gerechter Vorgesetzter. Bei aller Härte vergaß er nie, unter welch widrigen Umständen seine Beamten tätig waren, und gewährte ihnen ein hohes Maß an Bewegungsfreiheit. Dafür erwartete er jedoch absolute Hingabe an ihren Beruf und Loyalität. Ihre Zusammenarbeit basierte auf gegenseitigem Vertrauen. Und als Hawkwood den Köder geschluckt und Rutherfords Herausforderung angenommen hatte, hatte er dieses Vertrauen missbraucht. Und alles aufs Spiel gesetzt: nicht nur seine Karriere, sondern auch seine Beziehung zu einem Mann, dem er sehr viel zu verdanken hatte und den er bewunderte. Hätte er Rutherford getötet, so wäre die schlimmste Strafe für Hawkwood gewesen, den Ausdruck von Enttäuschung auf James Reads Gesicht erkennen zu müssen.
    Hawkwood zuckte vor Schmerz zusammen. Ich hätte doch zulassen sollen, dass sich der Arzt die Wunde ansieht, überlegte er. Dann fielen ihm jedoch die zittrigen Hände des Mediziners ein. Nein, das konnte warten.
    Auf den Straßen herrschte mittlerweile reges Treiben. Kutschen und Karren polterten über das Pflaster. Straßenhändler, Blumenverkäufer, Messerschleifer, Kaminkehrer, Kohlenschlepper und Lumpensammler begannen ihr frühes Tagewerk. Diese bunt zusammengewürfelte Menge erinnerte Hawkwood an das Gesindel im Gefolge von Wellingtons Armeen in Spanien. Ein Strom bemitleidenswerter Pilger auf der Suche nach dem Gelobten Land.
    Der Major und Hawkwood wollten gerade eine Straße überqueren, als eine Kutsche herangeprescht kam. Dann zügelte der Kutscher die Pferde, die Kutsche hielt direkt vor ihnen und die Tür wurde aufgestoßen.
    »Captain Hawkwood?«
    Ihm stockte der Atem, denn er hatte die Stimme sofort erkannt. Sie saß allein darin, in ein dunkles Cape gehüllt. Sie beugte sich vor, neigte den Kopf und schenkte Lawrence ein verführerisches Lächeln. »Guten Morgen, Major.«
    »Ja, es ist ein wunderschöner Morgen, Ma’am«, stimmte Lawrence zu, lüftete seinen Tschako und sah dann Hawkwood breit grinsend an. Diese etwas anzügliche Miene weckte in Hawkwood den Verdacht, dass den Major das plötzliche Auftauchen der jungen Frau keineswegs überraschte. Dieser Eindruck verstärkte sich, als Lawrence mit gespielter Spontaneität seine Taschenuhr hervorzog, einen flüchtigen Blick darauf warf, die Uhr dann an sein Ohr hielt und bedauernd verkündete: »Ähm … tja, bitte entschuldigen Sie mich. Ich habe mich bereits verspätet. Die Pflicht ruft. In einer Stunde bin ich mit Leutnant Fitzhugh verabredet. Ich hatte den Jungen für ein paar Tage zu seiner Familie geschickt. Man weiß ja nie, wann wir die Heimat wieder sehen. Uns bleibt nur verdammt wenig Zeit, die neuen Rekruten auf Vordermann zu bringen, ehe sie an Bord gehen, um unsere Truppen in Spanien zu verstärken.«
    Ohne Hawkwood Zeit für eine Antwort zu lassen, streckte ihm der Major die Hand hin und sagte: »Auf Wiedersehen, mein lieber Freund. Es war mir eine Freude, unsere Bekanntschaft aufgefrischt zu haben. Hoffentlich kreuzen sich unsere Wege irgendwann mal wieder.« Dann verneigte er sich in Richtung Kutsche und verabschiedete sich: »Ihr Diener, Ma’am.«
    Hawkwood kam nicht umhin zu bewundern, wie elegant sich der Major aus der Affäre gezogen hatte. Er blickte ihm nach, bis er in der Menge verschwand.
    Dann hörte er das Rascheln schwerer Seide. Er drehte sich um und registrierte, dass Catherine de Varesne ihn verführerisch anlächelte. »Nun, Captain Hawkwood, möchten Sie mir nicht Gesellschaft leisten?«
    Hawkwood blickte zu dem Kutscher hoch, der mit ausdrucksloser Miene und erhobener

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