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Der Rattenzauber

Titel: Der Rattenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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meines Hemdes um den linken Oberarm band. Nah am Körper mochte er von größerem Nutzen sein.
    Sodann legte ich mich für eine Weile aufs Bett. Der Graf huschte mir wieder ins Gedächtnis, und mir schauderte bei der Vorstellung, daß ein Mann wie er, ein Besessener von teuflischen Ideen, die Macht und Güte meines ehrwürdigen Herzogs vertreten sollte. Wen mochte es da wundern, daß die Bürger der Stadt sich von ihm abwandten und auf die Seite des feisten Bischofs Volkwin überliefen. Und schlimmer noch: Wie konnte ich Freundschaft und Hilfe bei meinem Bemühen erwarten, wenn ich doch für das gemeine Volk zu Schwalenbergs Gefolge zählte – denn das tat ich zweifellos; der Graf war der Vertreter meines Herrn und damit befugt, mir Befehle zu geben.
    Doch war seine Aufforderung, aus Hameln zu verschwinden, ein Befehl gewesen? Keineswegs, denn er hatte mir die Wahl gelassen. Daher beschloß ich, meine Nachforschungen ungebrochen weiter zu betreiben und dem Graf dabei aus dem Weg zu gehen. So mochte ich den Willen des Herzogs erfüllen und mehr über das Verschwinden der Kinder erfahren, ohne mich den Anordnungen seines wirrköpfigen Statthalters auszuliefern.
    Von so klugem Entschluß erleichtert, machte ich mich auf, in der Schankstube eine Mahlzeit einzunehmen. Ich hatte seit dem Abend des vergangenen Tages nichts mehr gegessen, und mein Magen meldete sich mit allerlei Getöse.
    Ein einziger weiterer Gast saß an einem der langen Tische, ein junger Mann in der feinen Kleidung eines Höflings oder Ehrenmannes. Seine Anwesenheit überraschte mich, und ich konnte meine Neugier kaum bezähmen.
    »Verzeiht«, sagte ich, »ist es erlaubt, sich zu Euch zu setzen, mein Herr?«
    Er blickte erstaunt von seinem Bierkrug auf. Sein Gesicht war schmal, die Stirn auffallend hoch. Inmitten dieser Züge prangte eine scharfgeschnittene Nase wie der Schnabel eines Raubvogels. Darüber blickten mir dunkle Augen aus tiefen Höhlen entgegen. Er war kein schöner Mann, nicht im entferntesten, zumal sein Unterkiefer um einiges vorstand, gekrönt von einer wulstigen Unterlippe. Als er lächelte, machte ihn dies nicht hübscher, wenngleich höfliche Wärme aus seinem Mienenspiel sprach.
    »Natürlich«, sagt er, »setzt Euch nur.« Er sprach mit einem schweren südländischen Akzent, anders als Althea, die arabische Astrologin meines Herzogs, und dennoch vertraut in seinem merkwürdigen Klang. Da fiel es mir ein: Ein Schneider aus dem fernen Mailand hatte einst zu Hofe haltgemacht und für einige der älteren, wohlhabenderen Ritter neue Gewänder angefertigt; seine Aussprache hatte ganz ähnlich geklungen.
    Ich stellte mich in aller Form vor, erwähnte auch, daß ich in einer Mission des Herzogs zugegen sei, und setzte mich ihm gegenüber auf eine der Bänke.
    Er sprang auf, verneigte sich tief und sagte mit gewinnendem Lächeln: »Gestattet, Dante da Alighiero di Bellincione d’Alighiero. Ein langer Weg hat mich aus meiner Heimat Florenz hierhergeführt.«
    »Dann seid Ihr ein Händler?« fragte ich.
    Er schüttelte geschwind den Kopf »Keineswegs. Nur ein Student und gelegentlicher Dichter.«
    »Ein Minnesänger«, entfuhr es mir erfreut.
    »Nicht ganz, edler Ritter. Meine Verse eignen sich schlecht zu melodischem Vortrag, und ein Instrument habe ich nie spielen gelernt.«
    Ehe ich etwas entgegnen konnte, trat Maria an unseren Tisch. Sie hatte die schmutzige Schürze abgelegt und das Kleid mit einem Band über den schlanken Hüften zusammengezurrt. Mehr noch als mir selbst schien dem jungen Florentiner ihr lieblicher Wuchs zu gefallen, denn er schenkte ihr ein Lächeln wie einer, dem die Freuden des holden Geschlechts nicht unbekannt waren.
    »Was darf ich Euch bringen, edler Herr?« fragte sie an mich gewandt, den Blick fest auf die Tischplatte gerichtet.
    »Auch für mich ein Bier und eine Speise, die mich stärkt.«
    Sie nickte beflissen und wirbelte herum. Dabei streiften die Spitzen ihres langen Haars meinen Nacken. Eilig verschwand sie in der Küche.
    »Ein hübsches Ding«, bemerkte Dante.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Es gibt viele wie sie.«
    »Schenken sie Euch alle soviel Aufmerksamkeit wie diese hier?«
    »Wie meint Ihr das?«
    Dante lächelte. »Ihr wollt behaupten, Ihr habt nicht bemerkt, wie sie Euch anschaut?«
    »Da müßt Ihr Euch irren, denn sie meidet es, mich anzusehen, wo sie nur kann.«
    »Natürlich, wenn Ihr es bemerken könntet. Doch hinter Eurem Rücken hängt sie mit feurigen Blicken an Euch.«
    Dies

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