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Der Rattenzauber

Titel: Der Rattenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und eine fleckige Schürze. Sein schmales Gesicht war hübsch anzuschauen und von belebender Frische. Langes, strohfarbenes Haar wuchs als wilde Mähne bis hinab auf seinen Rücken. Seine Wangen erröteten schlagartig, als es meiner ansichtig wurde, es fuhr auf der Stelle herum und lief dorthin zurück, von wo es gekommen war.
    »Großmutter«, hörte ich seine Rufe im Hinterzimmer. »Großmutter, komm schnell! Ein Gast ist da.«
    Wenig später stürmte ein Schlachtroß von Weib in die Stube, grauhaarig und gewaltig, mit Bauch und Busen wie Berge. Sobald sie mich sah, verwandelte sie sich in ein wild grimassierendes und mit den Armen ruderndes Bündel aus Demut und Beflissenheit.
    »Hoher Herr, welche Ehre, welche Ehre«, rief sie, riß mir mein bleischweres Bündel aus der Hand und stemmte es mit mannhafter Kraft auf den nächstbesten Tisch. Ich wehrte ab, als sie auch nach meinem Schwert greifen wollte, das ich in seiner Scheide in der Linken trug.
    »Verzeiht«, sagte sie sogleich unter merkwürdigen Zuckungen, die zweifelsohne Verbeugungen sein sollten, nur daß ihr dabei die Titanenbrust und die Wülste ihres Leibes arg im Wege waren. »Wie kann ich Euch zu Diensten sein?« fragte sie.
    »Mit einem Zimmer für die Nacht und einer deftigen Mahlzeit.« Ich wußte nicht, ob mich ihre hündische Ergebenheit abstoßen oder erfreuen sollte. Dann aber beschloß ich, ihr Benehmen als rauhe Liebenswürdigkeit zu deuten; der erste Mensch in dieser elenden Stadt, der mir mehr als Ablehnung oder gar Feindschaft entgegenbrachte. Mochte es ihr dabei ruhig allein um die Barschaft in meinem Beutel gehen.
    »Sofort, mein Herr, sofort«, sagte sie, drehte sich um und brüllte: »Maria! Wo bist du, Nichtsnutz? Komm her und trag die Sachen des edlen Herrn nach oben.«
    Das Mädchen eilte herbei, schlug die Augen nieder und mühte sich mit beiden Händen, das Bündel vom Tisch zu heben. Sie war zierlich, ganz anders als ihre fette Großmutter, und offenbar weit weniger kräftig.
    Ich trat neben sie, ergriff das Bündel und drückte ihr nach kurzem Zögern das Schwert in die Hand. »Hier, trag das.«
    Die Waffe war halb so groß wie sie selbst und gleichfalls von einigem Gewicht, doch sie nahm sie mit großen Augen entgegen und sah mich erstmals offen an.
    »Ihr seid ein Ritter, mein Herr?«
    »Maria!« fuhr ihr die Alte barsch über den Mund. »Was geht dich das an?«
    Ich schüttelte beschwichtigend den Kopf. »Mein Name ist Robert von Thalstein, Ritter des Herzogs. Seid versichert, ihr werdet gut entlohnt, wenn ich alles zu meiner Zufriedenheit finde.«
    »Oh, das werdet Ihr, Edler Ritter, ganz zweifellos«, beeilte sich die Alte zu sagen. Augenscheinlich tat es ihr schon wieder leid, Maria zum Tragen meiner Sachen gerufen zu haben, denn so mochte ihr selbst eine Münze entgehen, die ich dafür geben mochte. Wiewohl lag dergleichen nicht in meiner Absicht.
    Maria ging voran und stieg vor mir die knarrende Treppe hinauf. Das Schwert hielt sie so ehrfürchtig, als sei es ihr eigener kostbarster Schatz. Oben traten wir in einen engen, beinahe stockdunklen Flur, an den eine Handvoll Zimmer grenzte. Maria lief an der ersten Tür vorbei – offenbar war der Raum schon belegt – und öffnete die zweite.
    »Hier, mein edler Ritter«, sagte sie und trat zur Seite, um mich einzulassen. Das Zimmer war so karg, wie es die Umgebung erwarten ließ, allerdings schien es mir achtsam gepflegt. Es gab eine einfache Liege mit strohgefülltem Belag, einen dreibeinigen Schemel und, auf einem schmalen Tisch, eine tönerne Schüssel. Über dem Bett hing ein schlichtes Kruzifix. Die Fensterläden waren geschlossen, um den Regen auszusperren.
    Ich dankte Maria, nahm ihr das Schwert ab und blickte ihr nach, als sie ging. Bis zuletzt hielt sie den Blick gesenkt, dann schenkte sie mir doch noch ein flüchtiges Lächeln, bevor sie von außen die Tür zuzog. Ich legte den Riegel vor, wusch mich und wechselte Beinkleid und Wams. Damit war mein Vorrat an frischer Kleidung aufgebraucht; ich würde Maria auftragen, die schmutzige zu säubern.
    Schließlich zog ich ein Geschenk aus dem Bündel, das man mir vor meiner Abreise mit auf den Weg gegeben hatte: eine fingerlange, getrocknete Hasenpfote, befestigt an einem Lederriemen. Ein Talisman, der vor Gefahr bewahrte. Ich sah mich kurz um und befestigte ihn schließlich an einem losen Span im Gebälk über dem Bett. Dort hing er eine Weile, ehe ich mich besann, ihn wieder herunternahm und unter dem Flachsärmel

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