Der Raub des Wikingers
war.
Man musste Adam lassen, dass er jedes Mal mitgeholfen hatte, wenn die Arbeit schwer wurde. Zu ihrem Unbehagen wurde sich Tyra mehr und mehr dessen bewusst, dass er für einen Heiler erstaunliche Muskeln hatte, wenn auch nicht solche wie ihre Krieger, deren Überleben von ihrer körperlichen Konstitution abhing. Doch auch sein Körperbau war bemerkenswert. Sie vermutete den Grund dafür, dass er in einem Wikingerhaushalt aufgewachsen war, denn von Geburt her war er nur ein Angelsachse.
Tyra hatte den Verdacht, dass Adam unter anderem deshalb so schwer arbeitete, weil er Alrek entkommen wollte, der eine Neigung für den Heiler entwickelt hatte, obwohl Adam sein Bestes tat, um dem Jungen und seinen endlosen Fragen zu entgehen. Besonders schien ihn zu stören, dass Alrek ihn als Wunder betrachtete, das ihm vom Himmel gesandt worden war. Warum er darüber nicht einfach nur lachen konnte, war Tyra unbegreiflich.
Nun, in den nächsten Tagen würden sie die Außenbezirke des großen Landes ihres Vaters erreichen. Dort warteten ganz andere Probleme auf sie.
Dann war ihr das Zwinkern eines verwegenen Mannes egal.
Nun, fast egal.
Hoffte sie.
»Was beunruhigt Euch, Mylady?«, fragte Rashid und riss sie damit aus ihren Gedanken. Rashid und Adam reisten auf demselben Schiff, seit ihre Fesseln gelöst worden waren. Rashid hatte seinen Platz auf einer Seekiste gerade Adam überlassen, der jetzt Alrek beizubringen versuchte, wie er das schwere Ruder bedienen konnte, ohne sich damit selber ins Gesicht zu schlagen. Zweimal hatte der Junge sich gestern seine Nase blutig geschlagen. Wahrscheinlich hoffte Adam, dass ein müder Alrek ein stiller Alrek wäre.
Tyra sah von der Ruderpinne auf. Jetzt, wo sie den breiten Drisafjord erreicht hatten, war die Arbeit leichter. Es wehte zwar kein Wind für die Segel, aber die Strömung trug sie schnell dahin.
»Was mich beunruhigt?« Sie sah den attraktiven Araber mit dem dunklen Gesicht und dem vollen Schnauzbart an, der sein haarloses Kinn jeden Abend zum Entsetzen ihrer Männer sorgsam kahl zupfte. Groß und schlank war er ein gut aussehender Mann, der bei den Frauen sicher leichtes Spiel hatte. Alrek, der sich den Araber genau so als Freund ausgesucht hatte wie Adam, behauptete, dass Rashid der Sohn eines Wüstenscheichs sei. Sie musste Rashid später einmal fragen, warum ein Wüstenprinz seine Heimat verließ. »Mich beunruhigt alles Mögliche. Eigentlich sollte ich mit meinen Männern die südliche Grenze schützen. Denn es wimmelt hier von Piraten und Verbrechern. Meine Schwestern hecken wer weiß was aus. Mein Vater ist mit einem Bein schon in der Walhalla. Ich habe viel Zeit damit vergeudet, nach Eurem Heilerfreund zu suchen, und was ich mir einfach vorgestellt hatte, ist zu einer Last geworden. Es wäre ein Jammer, das Leben meines Vaters zu retten und dafür sein Land zu verlieren, weil ich nicht genug aufgepasst habe.«
»Nicht genug aufgepasst! Ihr arbeitet Euch die Finger wund. Mit allem Respekt, Mylady, Ihr tut, was Ihr könnt.«
»Mit allem Respekt«, gab sie zurück, »harte Arbeit nützt gar nichts, wenn sie keine Wirkung zeigt. Wagt es nicht, jetzt mit einem Zitat zu antworten.«
»Warum den schweren Weg nehmen?«, blieb Rashid beharrlich. »Hat nicht ein Bote von Stoneheim heute Morgen gemeldet, dass Euer Vater noch am Leben ist?«
»Ja, aber das kann sich jeden Moment ändern.«
»Wie ich sagte, rechnet nicht mit Unheil. Sonst sucht es Euch aus und springt Euch hinterrücks an, wenn Allah es will.«
Was war nur mit ihr, dass sie in beiden Männern den Drang zur Religion weckte? Rashid zitierte unentwegt seinen Gott oder den Propheten Mohammed. Und wann immer Adam in ihre Nähe kam, sagte er unwillkürlich: »Mein Gott!« Meist war das, nachdem er auf ihre Brüste oder ihren Po gestarrt hatte.
»Ihr denkt wieder an meinen Meister, nicht wahr?«
»Das ... habe ... ich ... nicht«, log sie und fühlte sich schuldig, weil sie die Unwahrheit sagte. »Nun, vielleicht ein bisschen. Wie habt Ihr das erkannt?«
»Euer Gesicht verrät Euch. Wenn er in der Nähe ist, habt ihr zwei bestimmte Gesichtsausdrücke, beide mit roten Wangen. Der eine zeigt Wut, begleitet von funkelnden Augen. Der andere spiegelt Erregung, und dann werden Eure Augen träumerisch verschleiert.«
»Oh ... oh .. oh«, stotterte Tyra wütend. »Ich bin nie erregt!«, brachte sie schließlich hervor.
»Nein?« Rashid war überrascht und amüsiert.
»Zumindest nicht von diesem abstoßenden Mann!
Weitere Kostenlose Bücher