Der Rebell
Land.«
»Ja, Sir.« Der junge Seemann salutierte, und der Kapitän wandte sich wieder zu der Mokassinschlange.
»Sei vorsichtig.«
»Natürlich.«
»Vergiß nicht — dein Leben ist kostbarer als deine Fracht, weil du unersetzlich bist.«
»Daran werde ich stets denken. Jetzt muß ich gehen.«
Der Kapitän nickte bedrückt, suchte nach Worten und fand keine. Auch er wurde von einer bösen Ahnung gequält. Das spürte der Spion und erschauerte.
»Sei vorsichtig«, mahnte der Kapitän noch einmal.
»Keine Bange, ich verstehe mein Handwerk.«
»Nun sollten wir losfahren«, meinte Jenkins unbehaglich. Er stammte aus Jacksonville, und er haßte das Sumpfgebiet im Süden des Staates, wo die täuschend schöne Küste nur einen schmalen Landstrich am Rand des feuchten Everglades-Dschungels bildete.
Geschmeidig kletterte die Mokassinschlange über die Steuerbordreling und folgte Jenkins in das kleine Boot. Der Seemann tauchte die Ruder ins Wasser, und der Kahn glitt über das nachtschwarze Meer.
»Halt!« wisperte der Spion plötzlich. Ein sonderbares Gefühl beschleunigte seinen Puls. Wurden sie beobachtet — und erwartet? Der keuchende Atem einer großen, schrecklichen Kreatur schien im Dunkel widerzuhallen. Aber an der Küste regte sich nichts.
Obwohl Jenkins das Boot zu bremsen versuchte, fuhr es weiter, immer noch getrieben von der Kraft seiner Ruderschläge.
Dann erwachte der Waldrand zum Leben. Der Mond, wieder hinter Wolken versteckt, erhellte die Szenerie nicht. Aber die Mokassinschlange hörte die Schritte der Männer, die zwischen den Bäumen hervorrannten und Gewehre auf den Kahn richteten.
»Ergeben Sie sich, und Ihr Leben wird geschont!«
Der Mond verbreitete erneut seinen geisterhaften Glanz und beleuchtete acht Männer in den verhaßten blauen Yankee-Uniformen, die sich am Ufer postiert hatten. Vier knieten, vier standen. Und alle Gewehre zielten auf die Insassen des Boots.
»Verdammt!« fluchte Jenkins. Er konnte und wollte nicht fliehen. Ehe er auch nur die Zehen in dieses grausige Gewässer tauchte, würde er lieber hundert Unionssoldaten gegenübertreten. »Wir müssen kapitulieren!«
Aber die Mokassinschlange warf ihm nur einen verächtlichen Blick zu und glitt ins Wasser.
»Zum Teufel mit dem Schurken!« fauchte Ian McKenzie, zog das Jackett seiner Kavallerieuniform aus, nahm den Waffengurt ab und schlüpfte aus den Stiefeln. »Holt den Rebellen aus dem Boot und paßt auf, ob unser Freund irgendwo an Land schleicht. Und Sie, Gilbey Clark ...« Er zögerte nur kurz. Obwohl Gilbey zu den neuen Rekruten zählte, hatte er seine Kompetenz bereits bewiesen. »Gehen Sie an den Bäumen entlang. Sam, folgen Sie ihm im Abstand von fünfzig Metern. Lassen Sie das Wasser nicht aus den Augen!« Dann warf er sich in die seichten Wellen und schwamm in die Richtung des Kahns.
Dieser verrückte Spion! Alle trugen die Schmuggelware in der Kleidung bei sich. Also würde der Idiot wie ein Sack voller Blei untergehen.
Aber die Mokassinschlange war unauffindbar. Ian suchte noch einmal den Meeresboden ab. Triumphierend prustend tauchte er dann wieder auf und zog den schweren Mantel des Spions an Land.
»Hier!« erklang ein atemloser Schrei.
Ian ließ den Mantel fallen und rannte die Uferböschung hinauf. Ganz in der Nähe erhob sich ein Schatten aus dem Wasser.
»Halt, oder ich schieße!« rief Gilbey.
Ian stürmte zu ihm und stieß das Gewehr beiseite. »Nicht! Ich will ihn lebend haben.«
Er rannte an dem jungen Mann vorbei, ohne den rauhen Boden unter seinen nackten, schwieligen Sohlen zu beachten. In einer kleinen Sandgrube zwischen knorrigen Wurzeln holte er den Spion endlich ein, stürzte sich auf ihn, und sein Gewicht riß die schmale Gestalt zu Boden. Mühelos überwältigte er den Feind und saß rittlings auf seinen Hüften.
Hell strahlte der Mond. Obwohl das nasse blonde Haar, mit Seegras verflochten, am bleichen Gesicht der Mokassinschlange klebte, war sie unglaublich schön. In ihren grünbraunen Augen, von langen honigfarbenen Wimpern umrahmt, funkelten goldene Lichter. Ian betrachtete eine zierliche gerade Nase, hohe Backenknochen, ein eigenwilliges Kinn und verführerische volle Lippen.
In seinem Herzen hatte er die Wahrheit geahnt und sich geweigert, daran zu glauben. Was sie in seinen Zügen las, wußte er nicht. Aber es schien zu genügen, um die letzte Farbe aus ihren Wangen weichen zu lassen. Offenbar spürte sie seine momentane Schwäche, die der Schock auf seine Entdeckung
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