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Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Minute an der Straße sein.
    Er wartet in seinem ramponierten Kombi auf mich. Ich springe hinein, und er gibt Gas und jagt los. Ich hatte nicht einmal Zeit, mir die Zähne zu putzen. »Wo zum Teufel wollen wir hin?«
    »Schwerer Unfall auf dem Fluß«, verkündet er ernst, als wäre er tief betrübt. Arbeitsalltag. »Kurz nach elf gestern abend hat sich eine Ölschute von ihrem Schlepper losgerissen und ist flußabwärts getrieben, bis sie einen Raddampfer rammte, der für einen High-School-Abschlußball gechartert worden war. Vielleicht so dreihundert Kids an Bord. Der Dampfer ist bei Mud Island gesunken, ganz in der Nähe des Ufers.«
    »Das ist entsetzlich, Deck, aber was zum Teufel sollen wir dabei tun?«
    »Ganz einfach. Bruiser bekommt einen Anruf. Bruiser ruft mich an. Und jetzt sind wir hier. Es ist eine riesige Katastrophe, vermutlich die größte, die sich je in Memphis zugetragen hat.«
    »Und sollen wir darauf jetzt stolz sein?«
    »Sie verstehen nicht. Bruiser läßt sich das doch nicht entgehen.«
    »Na schön. Soll er seinen dicken Hintern in einen Taucheranzug stecken und nach den Toten suchen.«
    »Könnte eine Goldmine sein.« Deck rast quer durch die Stadt. Wir reden nicht mehr miteinander. Als wir uns der Innenstadt nähern, überholt uns ein Krankenwagen, und mein Puls beschleunigt sich. Eine weitere Ambulanz schießt aus einer Nebenstraße vor uns vorbei.
    Der Riverside Drive ist mit Dutzenden von Polizeifahrzeugen blockiert, deren Lichter durch das Dunkel flackern und zucken. Feuerwehrwagen und Ambulanzen stehen Stoßstange an Stoßstange. Ein Stück flußabwärts verhält ein Hubschrauber in der Luft. Hier und da stehen Leute reglos in Gruppen zusammen, andere eilen herum, rufen und zeigen auf etwas. In Ufernähe ist der Ausleger eines Krans zu sehen.
    Wir eilen um das gelbe Absperrband herum und gesellen uns zu einer Gruppe von Zuschauern in der Nähe des Ufers. Hier sieht es jetzt schon seit mehreren Stunden immer gleich aus, und die Hektik hat sich weitgehend gelegt. Jetzt warten sie. Viele der Leute drängen sich in verängstigten, auf dem Kopfsteinpflaster sitzenden Grüppchen aneinander und schauen weinend zu, wie Taucher und Sanitäter nach Toten suchen. Geistliche beten kniend mit den Familien. Dutzende von benommenen Kids in nassen Smokings und zerrissenen Ballkleidern sitzen beieinander, halten sich bei den Händen und starren auf den Fluß hinaus. Eine Seite des Raddampfers ragt drei Meter aus dem Wasser, und die Retter, viele von ihnen in schwarzblauen Taucheranzügen und mit Sauerstoffflaschen, klammern sich daran. Andere arbeiten von drei miteinander vertäuten Pontons aus.
    Hier spielt sich ein Ritual ab, aber es dauert eine Weile, bis man das begriffen hat. Ein Polizeilieutenant überquert langsam eine von einer schwimmenden Pier an Land führende Laufplanke und tritt auf das Kopfsteinpflaster. Die Menge, die ohnehin schon kaum einen Laut von sich gegeben hat, verstummt jetzt völlig. Er geht zu einem Streifenwagen, und sofort scharen sich mehrere Reporter um ihn. Der größte Teil der Leute bleibt sitzen, umklammert seine Decken, senkt die Köpfe zu inbrünstigem Gebet. Es sind die Eltern, Verwandten und Freunde. Der Lieutenant sagt: »Es tut mir leid, aber wir haben gerade die Leiche von Melanie Dobbins identifiziert.«
    Seine Worte tragen durch die Stille, die fast sofort vom Aufschluchzen der Angehörigen des Mädchens durchbrochen wird. Sie fallen sich in die Arme und geben sich gemeinsam ihrem Leid hin. Freunde knien nieder und umarmen sie, dann schreit eine Frau auf.
    Die anderen drehen sich um und schauen hin, stoßen aber gleichzeitig einen Seufzer der Erleichterung aus. Auch sie sind auf eine schlimme Nachricht gefaßt, aber zumindest ist sie aufgeschoben. Es besteht noch Hoffnung. Später habe ich erfahren, daß einundzwanzig Kids überlebt haben, weil sie in eine Luftblase gesaugt worden waren.
    Der Polizeilieutenant entfernt sich und kehrt zu der Pier zurück, wo eine weitere Leiche aus dem Wasser gezogen wird.
    Dann beginnt sich ein zweites Ritual zu entfalten, das weniger tragisch, aber weitaus verabscheuenswürdiger ist. Männer mit ernsten Gesichtern schieben oder schleichen sich an die trauernden Familien heran. Sie haben kleine weiße Geschäftskarten dabei, die sie den Angehörigen oder Freunden der Toten in die Hand zu drücken versuchen. In der Dunkelheit drängen sie sich immer näher heran und behalten sich dabei gegenseitig argwöhnisch im Auge. Sie

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