Der Regenmacher
und ich ignorieren uns gegenseitig, aber unter dem Tisch berühren sich unsere Füße.
Smotherton schreibt etwas auf ein Blatt Papier und gibt es mir. »Dies wird als Tötungsdelikt behandelt, aber es geht an die Abteilung Mißhandlungen im häuslichen Bereich bei der Staatsanwaltschaft. Die zuständige Dame heißt Morgan Wilson. Von jetzt an ist es ihr Fall.«
»Aber Sie behalten sie hier?«
»Mir bleibt nichts anderes übrig. Ich kann sie nicht einfach laufenlassen.«
»Wie lautet die Anklage?«
»Totschlag.«
»Sie können sie in meinen Gewahrsam entlassen.«
»Nein, das kann ich nicht«, erwidert er wütend. »Was für eine Art von Anwalt sind Sie?«
»Dann entlassen Sie sie gegen Kautionszusage.«
»Funktioniert nicht«, sagt er mit einem frustrierten Lächeln zu Hamlet. »Wir haben einen Toten. Die Kaution muß von einem Richter festgesetzt werden. Bringen Sie ihn dazu, daß er das tut, dann kann sie gehen. Ich bin nur ein bescheidener Detective.«
»Ich muß ins Gefängnis?« fragt Kelly.
»Wir haben keine andere Wahl, Madam«, sagt Smotherton, plötzlich viel netter. »Wenn Ihr Anwalt hier sein Geld wert ist, holt er Sie irgendwann morgen wieder raus. Das heißt, wenn Sie Kaution stellen können. Aber ich kann Sie nicht einfach gehen lassen, nur weil ich es möchte.«
Ich lange über den Tisch und ergreife ihre Hand. »Das ist richtig, Kelly. Ich hole dich morgen heraus, so früh wie möglich.« Sie nickt rasch und beißt die Zähne zusammen, versucht, stark zu sein.
»Können Sie sie in eine Einzelzelle bringen?« frage ich Smotherton.
»Für das Gefängnis bin ich nicht zuständig, Sie Klugscheißer. Wenn Sie so ein toller Hecht sind, dann reden Sie mit den Wärtern. Die freuen sich immer, wenn sie es mit einem Anwalt zu tun haben.«
Provozier mich nicht, Freundchen. Einen Schädel habe ich heute abend bereits eingeschlagen. Wir starren uns voller Haß an. »Danke«, sage ich.
»Nichts zu danken.« Er und Hamlet schieben ihre Stühle zurück und stapfen auf die Tür zu. »Sie haben fünf Minuten«, sagt er über die Schulter hinweg. Sie knallen die Tür ins Schloß.
»Rühr dich nicht von der Stelle«, sage ich fast lautlos. »Sie beobachten uns durch dieses Fenster dort. Und das Zimmer ist vermutlich verwanzt, also sei vorsichtig mit dem, was du sagst.«
Sie sagt gar nichts.
Ich spiele meine Anwaltsrolle weiter. »Tut mir sehr leid, daß das passiert ist«, sage ich steif.
»Was bedeutet Totschlag?«
»Das kann eine Menge bedeuten, aber im Grunde ist es Mord ohne Tötungsabsicht.«
»Wie viele Jahre könnte ich bekommen?«
»Zuerst einmal müßtest du verurteilt werden, und dazu kommt es nicht.« »Versprichst du mir das?«
»Ich verspreche es. Hast du Angst?«
Sie wischt sich sorgfältig die Augen ab und denkt lange nach. »Er hat eine große Familie, und sie sind alle genau wie er. Lauter gewalttätige Saufbolde. Ich habe fürchterliche Angst vor ihnen.«
Darauf fällt mir keine Erwiderung ein. Ich habe auch Angst vor ihnen.
»Sie können mich nicht zwingen, zu seiner Beerdigung zu gehen, oder?«
»Nein.«
»Gut.«
Ein paar Minuten später kommen sie, um sie abzuholen, und diesmal legen sie ihr Handschellen an. Ich sehe zu, wie sie sie den Korridor entlangführen. Sie bleiben vor einem Fahrstuhl stehen, und Kelly reckt den Kopf an einem der Polizisten vorbei, um mich zu sehen. Ich winke langsam, dann ist sie verschwunden.
52
Wenn man einen Mord begeht, macht man fünfundzwanzig Fehler. Wer zehn davon vermeiden kann, ist ein Genie. Das jedenfalls habe ich einmal in einem Film gehört. Es war im Grunde kein Mord, sondern eher ein Fall von Notwehr. Aber die Fehler beginnen sich zu summieren.
Ich wandere um den Schreibtisch in meinem Büro herum, der mit säuberlichen Reihen von gelben Blättern bedeckt ist. Ich habe Skizzen angefertigt von der Wohnung, dem Toten, den Kleidungsstücken, der Waffe, dem Baseballschläger, den Bierdosen, praktisch von allem, woran ich mich erinnern kann. Ich habe die Position meines Wagens, ihres Wagens und seines Pickups auf dem Parkplatz aufgezeichnet. Ich habe Seiten um Seiten geschrieben, jeden Schritt, jede Einzelheit des Geschehens schriftlich festgehalten. Ich vermute, daß ich weniger als fünfzehn Minuten in der Wohnung war, aber auf dem Papier sieht es aus wie ein ganzer Roman. Wie viele Brüller oder Aufschreie können draußen zu hören gewesen sein? Nicht mehr als vier, glaube ich. Wie viele Nachbarn sahen einen Fremden, der
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