Der Regenmacher
Gestern abend habe ich sogar einmal gelacht, als ich daran dachte, daß ich nun wieder meine Liste von Kanzleien hervorkramen und von neuem Klinken putzen gehen darf. Und dann der Gedanke, Madeline Skinner aufsuchen zu müssen. »Ich bin’s wieder, Madeline. Ich bin wieder da.«
Schließlich schlafe ich auf dem Sofa ein, und kurz nach neun weckt mich jemand. Es ist nicht Miss Birdie. Es sind zwei Polizisten in Zivil. Sie strecken ihre Ausweise durch die offene Tür, und ich fordere sie auf, hereinzukommen. Ich bin in Turnhose und T-Shirt. Meine Augen brennen, also reibe ich sie und versuche mir vorzustellen, weshalb sich die Polizei plötzlich für mich interessiert.
Sie könnten Zwillinge sein, beide um die Dreißig, nicht viel älter als ich. Sie tragen Jeans und Turnschuhe und schwarze Schnurrbärte und benehmen sich wie Schauspieler in einem billigen Fernsehspiel. »Dürfen wir uns setzen?« fragt der eine, zieht einen Stuhl unter dem Tisch hervor und läßt sich darauf nieder. Sein Partner tut dasselbe, und sie haben schnell Position bezogen.
»Natürlich«, sage ich keß. »Nehmen Sie Platz.«
»Setzen Sie sich zu uns.«
»Warum nicht?« Ich setze mich ans Kopfende, zwischen sie. Beide lehnen sich vor, immer noch wie im Film. »Also. Was zum Teufel wollen Sie hier?«
»Sie kennen Jonathan Lake?«
»Ja.«
»Sie wissen, wo seine Kanzlei ist?«
»Ja.«
»Waren Sie gestern abend dort?«
»Ja.«
»Wann?«
»Zwischen neun und zehn.«
»Weshalb waren Sie dort?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Wir haben massenhaft Zeit.«
»Ich wollte mit Jonathan Lake sprechen.«
»Haben Sie es getan?«
»Nein.«
»Warum nicht?« »Die Türen waren verschlossen. Ich konnte nicht in das Gebäude.«
»Haben Sie versucht, einzubrechen?«
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Klar.«
»Sind Sie nach Mitternacht noch mal zurückgekehrt?«
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja klar. Fragen Sie den Wachmann.«
Daraufhin werfen sie sich einen Blick zu. Etwas hat ins Schwarze getroffen. »Haben Sie den Wachmann gesehen?«
»Ja. Er hat mich aufgefordert zu verschwinden, also bin ich verschwunden.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
»Ja.«
»Dann mal los.«
»Großer Schwarzer, ungefähr einsneunzig. Uniform, Mütze, Waffe, alles, was dazugehört. Fragen Sie ihn. Er wird Ihnen sagen, daß ich gegangen bin, als er mich dazu aufgefordert hat.«
»Wir können ihn nicht fragen.« Sie werfen sich wieder einen Blick zu.
»Warum nicht?« Irgendwas Schlimmes liegt in der Luft.
»Weil er tot ist.« Beide beobachten mich genau. Sie wollen sehen, wie ich darauf reagiere. Ich bin echt betroffen, wie jedermann es sein würde. Ich fühle ihre Blicke auf mir lasten.
»Wie – wie ist er gestorben?«
»Bei dem Brand umgekommen.«
»Welchem Brand?«
Sie verstummen gleichzeitig, und beide nicken argwöhnisch, während sie den Tisch betrachten. Einer zieht ein Notizbuch aus der Tasche wie ein Reporter. »Dieser kleine Wagen da draußen, der Toyota, gehört der Ihnen?«
»Das wissen Sie doch. Sie haben Computer.«
»Sind Sie damit gestern abend zur Kanzlei gefahren?«
»Nein, ich habe ihn hingeschoben. Was für ein Brand?«
»Werden Sie nicht keß, okay?«
»Okay. Einigen wir uns darauf, daß ich keine großen Sprüche mache, wenn Sie es auch nicht tun.«
Der andere mischt sich ein. »Wir haben einen Zeugen, der glaubt, Ihren Wagen gegen zwei Uhr heute morgen in der Nähe der Kanzlei gesehen zu haben.«
»Ausgeschlossen. Nicht meinen Wagen.« Unmöglich, in diesem Augenblick zu beurteilen, ob diese Burschen die Wahrheit sagen. »Was für ein Brand?« frage ich noch einmal.
»Die Kanzlei ist letzte Nacht niedergebrannt. Völlig zerstört.«
»Bis auf die Grundmauern«, setzt der andere hilfreich hinzu.
»Und ihr beide seid vom Branddezernat«, sage ich, immer noch verblüfft, aber gleichzeitig stocksauer, weil sie denken, ich könnte etwas damit zu tun haben. »Und jetzt hat jemand den Bau abgefackelt, und Barry Lancaster hat Ihnen erzählt, daß ich einen wundervollen Verdächtigen dafür abgeben würde, stimmt’s?«
»Wir sind für Brandstiftung zuständig. Aber auch für Mord.«
»Wie viele Leute sind umgekommen?«
»Nur der Wachmann. Der erste Anruf kam gegen drei Uhr heute morgen, das Gebäude war also leer. Offensichtlich saß der Wachmann irgendwie in der Falle, als das Dach einstürzte.«
Ich wünsche mir fast, Jonathan Lake wäre bei dem Wachmann gewesen, dann denke ich an diese wundervollen Büros mit
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