Der Reisende
machen kann! Aber Alvin selbst hat mir die Geschichte erzählt, wie er ‘n Haufen Kakerlaken dazu gebracht hat, sich selber zu töten, als er ein Junge war, und …«
»Und du hast nichts aus dieser Geschichte gelernt, abgesehen davon, daß du die Macht hast, Insekten zu quälen.«
»Er kann machen, was er will, und spricht dann darüber, daß er es jetzt besser weiß, aber wenn ich dieselben Sachen tue, bin ich nicht würdig! Man kann mir keine seiner Geheimnisse beibringen, weil ich nicht bereit für sie bin, aber ich bin bereit für sie, ich bin nur nicht bereit, Alvin entscheiden zu lassen, wie ich das Talent einsetze, mit dem ich geboren wurde. Wer sagt ihm denn, was er tun soll?«
»Aus Ermangelung eines klareren Namens«, erwiderte Geschichtentauscher, »das innere Licht der Tugend.«
»Und was ist mit meinem inneren Licht?«
»Ich kann mir vorstellen, daß deine Eltern sich genau diese Frage stellen, und zwar oft.«
»Warum erlaubt man mir denn nicht, etwas allein herauszufinden, wie Alvin es getan hat?«
»Aber natürlich erlaubt man dir, genau das zu tun«, sagte Geschichtentauscher.
»Nein, das erlaubt man mir nicht! Er sitzt da und versucht, seinen blöden Gefolgsleuten, die einfach kein Talent haben, zu erklären, wie man in andere Dinge hineinkommt und lernt, was sie sind und wie sie innen geformt sind, und sie dann bittet, eine neue Gestalt anzunehmen, als könnte man sowas lernen …«
»Aber sie lernen es doch, oder?«
»Wenn Ihr einen Zoll pro Jahr Bewegung nennt, dann könnt Ihr das wohl Lernen nennen«, sagte Calvin. »Aber ich, derjenige, der tatsächlich alles versteht, was er sagt, derjenige, der tatsächlich alles einsetzen könnte, mich läßt er noch nicht mal in den Unterrichtsraum. Und wenn ich dort einfach sitzen bleibe, erzählt er lediglich Geschichten und reißt Witze und bringt einem gar nichts bei, bis ich endlich gehe, und warum das alles? Ich bin sein bester Schüler, nicht wahr? Ich lerne alles, ich sauge es schnell auf und kann es augenblicklich einsetzen, aber mich unterrichtet er ja nicht! Die anderen nennt er ›Schöpfer in der Lehre‹, aber mich akzeptiert er nicht mal für eine einzige Unterrichtsstunde, und das alles nur, weil ich mich nicht immer verbeuge und ihn anbete, wenn er davon spricht, daß ein Schöpfer niemals seine Macht einsetzen kann, um zu zerstören, sondern nur, um zu errichten, oder er verliert sie, was Unsinn ist, denn das Talent eines Mannes ist nun mal sein Talent, und …«
»Ich habe den Eindruck«, sagte Geschichtentauscher mit so scharfer Stimme, daß sie Calvins Wutausbruch einfach durchschnitt, »daß du ein einzigartig unbelehrbarer junger Mann bist. Du bittest Alvin, dich zu unterrichten, und er versucht es auch, aber dann weigerst du dich zuzuhören, weil du weißt, was Unsinn und was wichtig ist, weil du weißt, daß man nicht schöpfen muß, um ein Schöpfer zu sein, du weißt bereits so viel, daß es mich überrascht, daß du noch hier verweilst und möchtest, daß Alvin dir Dinge beibringt, die du ganz offensichtlich nicht wissen möchtest.«
»Ich möchte, daß er mir beibringt, wie ich in diese kleinen Dinge hineinkomme!« rief Calvin. »Ich möchte, daß er mir beibringt, wie man Menschen verändern kann, wie er Arthur Stuart verändert hat, damit die Sklavensucher ihn nicht mehr finden können! Ich möchte, daß er mir beibringt, wie man in Knochen und Blutgefäße hineinkommt, wie man Eisen in Gold verwandeln kann! Ich möchte einen goldenen Pflug schaffen, wie er einen geschaffen hat, und er will mir einfach nicht beibringen, wie man das macht!«
»Und dir ist nie in den Sinn gekommen«, sagte Geschichtentauscher, »daß er dir vielleicht genau das beibringt, das du verlangst, wenn er davon spricht, die Macht des Schöpfens nur dazu zu verwenden, etwas aufzubauen, und niemals, es einzureißen? Ach, Calvin, es tut mir so leid, aber ich muß feststellen, daß deine Mama doch noch ein dummes Kind bekommen hat.«
Calvin spürte, wie der Zorn in ihm explodierte, und bevor er richtig mitbekam, was er tat, schlug er den alten Mann nieder, saß rittlings auf seinen Hüften und hämmerte auf seine zerbrechlichen alten Rippen und seinen Leib ein. Es waren viele Schläge nötig, bis er mitbekam, daß der alte Mann sich gar nicht wehrte. Habe ich ihn getötet? fragte Calvin sich. Was soll ich tun, wenn er tot ist? Dann werden sie mich wegen Mordes drankriegen. Sie werden nicht einsehen, daß er mich provoziert, geradezu um eine
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