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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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die unschuldigen Roten abgeschlachtet hatten. Erzählten sie ihre Geschichte dem Fremden nicht, bedeckten ihre Hände und Arme sich mit tropfendem Blut, einem stummen Zeugnis ihres Verbrechens. Wegen dieses Umstands wagten sie sich nicht in die Welt hinaus, wo sie vielleicht Fremden begegnen würden. Alvin selbst mochte vielleicht nach ihm suchen, aber begleiten konnten ihn nur diejenigen, die damals noch zu jung gewesen waren, um an dem Massaker mitzuwirken. O ja, ihr Schwager Armor-of-God – Brustwehr-Gottes – stand nicht unter dem Fluch. Und wahrscheinlich auch Measure nicht, weil er an dem Gemetzel gar nicht teilgenommen, sondern versucht hatte, es zu verhindern. Also konnten die beiden die Stadt vielleicht verlassen. Aber das war trotzdem noch kein besonders großer Suchtrupp.
    Und warum sollten sie sich überhaupt die Mühe machen, ihn zu suchen? Alvin war der Ansicht, Calvin sei ein Nichts. Nicht wert, unterrichtet zu werden. Wie konnte er es also wert sein, ihm zu folgen?
    Meine Freiheit war immer nur ein paar Schritte entfernt, dachte Calvin. Ich mußte nur begreifen, daß Alvin mich niemals als wahren Freund und Bruder akzeptieren wird. Geschichtentauscher hat mir das gezeigt. Ich sollte ihm dankbar sein.
    He, ich hab ihm schon allen Dank gegeben, den er verdient hat.
    Calvin kicherte. Dann drehte er sich um und ging in den Wald zurück. Er versuchte, sich so leise zu bewegen, wie Alvin es stets tat, ein Trick, den Al damals von den roten Wilden gelernt hatte, bevor sie entweder aufgegeben hatten und zivilisierter geworden oder über den Mizzipy in das leere Land des Westens gezogen waren. Doch trotz all seiner Bemühungen machte Calvin immer wieder Lärm und zerbrach Zweige.
    Nach allem, was ich weiß, sagte Calvin sich, macht Alvin genauso viel Lärm und benutzt einfach sein Talent, um uns glauben zu machen, er wäre leise. Denn wenn alle glauben, man wäre leise, ist man ja auch leise, oder? Darin liegt überhaupt kein Unterschied.
    Wahrscheinlich will dieser Heuchler Alvin uns alle nur glauben machen, er lebe in solch einer Harmonie mit dem grünen Wald, während er in Wirklichkeit genauso unbeholfen wie alle anderen ist! Zumindest schäme ich mich nicht, ein ehrliches Geräusch von mir zu geben.
    Mit diesem beruhigenden Gedanken drang Calvin tiefer in das Unterholz ein, brach mit jedem Schritt Zweige ab und wirbelte gefallene Blätter auf.

3 Beobachter
    Als Calvin zu seiner Reise, wohin auch immer, aufbrach und versuchte, nicht bei jedem Schritt an Alvin zu denken, war noch jemand auf Reisen und wünschte sich ebenfalls, aufhören zu können, an Alvin zu denken. Doch das waren schon so ziemlich alle Ähnlichkeiten. Denn diese Person war Peggy Larner, die Alvin besser kannte und mehr liebte als jede andere Seele. Sie fuhr in einer Kutsche eine Landstraße in Appalachee entlang und war mindestens so unglücklich, wie Calvin es immer war. Der Unterschied war – sie machte für ihr Leid keine einzige andere Seele außer sich selbst verantwortlich.
    In den Tagen nach der Ermordung ihrer Mutter hatte Peggy Larner angenommen, sie würde den Rest ihres Lebens in Hatrack River verbringen und ihrem Vater dabei helfen, sich um seinen Gasthof zu kümmern. Sie war fertig mit den großen Angelegenheiten der Welt. Sie hatte sich unbedingt in sie einmischen wollen, und das Ergebnis war, daß sie nicht vor ihrer eigenen Haustür gefegt und deshalb nicht den bevorstehenden Tod ihrer Mutter gesehen hatte. Er war so leicht vorhersehbar und von dem blindesten Zufall abhängig gewesen: Ein einfaches Wort der Warnung, und ihre Eltern hätten gewußt, daß die Sklavensucher in dieser Nacht zurückkamen, und wie viele von ihnen, und wie sie bewaffnet waren, und durch welche Tür sie kamen. Aber Peggy hatte die großen Dinge der Welt im Auge behalten, hatte über ihre törichte Liebe für den jungen reisenden Schmied namens Alvin gegrübelt, der gelernt hatte, einen Pflug aus lebendem Gold zu machen, und sie dann gebeten hatte, ihn zu heiraten und mit ihm durch die Welt zu ziehen und mit dem Unschöpfer zu kämpfen, während der Unschöpfer ihr eigenes Leben inzwischen durch die Hintertür zerstörte, mit einer Schrotsalve, die das Fleisch ihrer Mutter zerfetzte und Peggy die schrecklichste Last überhaupt aufbürdete, die sie ihr Leben lang würde tragen müssen. Denn was sonst bedeutet es für ein Kind, das sich nicht vorsieht, das Leben seiner Mutter zu retten?
    Sie konnte Alvin nicht heiraten. Damit hätte sie sich

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