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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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es ihm so vorkam, als wäre schon eine ganze Stunde vergangen.
    Schwitzend fegte er Spinnweben zur Seite und lauschte, hörte aber nichts. Schwankende Schatten fielen in den Raum, weil ein leichter Wind durch die Zweige strich, und irgendwo unter dem Dach schlug ein Ast sanft gegen das Haus.
    Es war wohl doch der Wind gewesen. Der Wind und die alten Geister von Maple Run, an die seine Mutter geglaubt hatte, weil in dem betagten Haus schon Dutzende Menschen gestorben waren. Ihren Worten nach lagen im Keller Sklaven begraben, deren rastlose Geister jetzt durch das Haus irrten.
    Der Richter hatte Gespenstergeschichten gehasst und sie nicht hören wollen.
    Als Ray sich schließlich aufsetzte, waren seine Ellbogen und Knie taub. Nach einer Welle erhob er sich und lehnte sich an den Türrahmen.
    Den Revolver in der Hand, ließ er den Blick über die drei Fenster gleiten. Falls es tatsächlich einen Eindringling gegeben hatte, war er offensichtlich durch den Lärm abgeschreckt worden. Aber je länger Ray dort stand und nachdachte, desto mehr war er überzeugt, dass der Wind die Geräusche verursacht hatte.
    Forrest hatte Recht gehabt. So heruntergekommen das Deep Rock Motel auch sein mochte, es war dort bestimmt friedlicher als hier.
    Da war das Geräusch erneut zu hören, und schon lag Ray wieder auf dem Boden. Wieder wurde er von Angst gepackt, nur war diesmal alles schlimmer, weil der Lärm aus der Richtung der Küche kam. Aus takti-schen Gründen entschloss er sich zu kriechen, statt auf dem Bauch zu rutschen. Seine Knie schmerzten höllisch, als er die Diele erreicht hatte.
    An der Glastür zum Esszimmer hielt er inne. Der Fußboden war dunkel, doch von einer schwachen Lampe auf der Veranda sickerte trübes Licht durch die Jalousien, das den oberen Teil der Wände und die Decke be-leuchtete.
    Nicht zum ersten Mal fragte er sich, was er hier eigentlich tat. War es wirklich möglich, dass er, ein Juraprofessor von einer renommierten Universität, sich in seinem finsteren Elternhaus versteckte, bewaffnet, zu Tode verängstigt und zu allem bereit? Und das alles nur, weil er um jeden Preis einen rätselhaften Haufen Bargeld verteidigen wollte, über den er gestolpert war? »Darauf find mal eine Antwort«, murmelte er vor sich hin.
    Die Küchentür führte auf eine kleine hölzerne Terrasse hinaus. Schritte waren zu hören - irgendjemand bewegte sich draußen auf den Holz-dielen, direkt hinter der Tür. Dann hörte Ray den wackeligen Türknauf mit dem defekten Schloss klappern. Wer immer es auch sein mochte, er hatte die kühne Entscheidung gefällt, direkt durch die Tür hereinzuspa-zieren, statt sich für ein Fenster zu entscheiden.
    Ray war ein Atlee, und dies war sein Grundstück. Außerdem war er in Mississippi, wo jeder damit rechnen musste, dass man sich mit der Waffe verteidigte. Kein Richter im ganzen Bundesstaat würde auch nur die Stirn runzeln, wenn jemand in einer Situation wie dieser zu drasti-schen Maßnahmen griff. Ray kauerte sich neben den Küchentisch, zielte auf eine Stelle des Fensters über dem Spülbecken und legte den Finger um den Abzug. Ein lauter Schuss in der Finsternis, der aus dem Haus abgefeuert wurde und ein Fenster zersplittern ließ, war zweifellos ein sicheres Mittel, um jeden Einbrecher abzuschrecken.
    Als der Türknopf erneut zu klappern begann, drückte Ray ab. Der Hahn klickte, doch nichts geschah. Offensichtlich war die Waffe nicht geladen.
    Die Trommel drehte sich, er versuchte es erneut, wieder Fehlanzeige. In Panik griff er nach der leeren Teekanne und schleuderte sie in Richtung Tür. Zu seiner großen Erleichterung war der Lärm lauter als jeder Schuss.
    Vor Angst wie von Sinnen, schlug er auf einen Lichtschalter und stürmte dann mit gezückter Waffe auf die Tür zu. »Zum Teufel, verschwinden Sie!«, brüllte er. Doch als er die Tür aufriss, erblickte er niemanden. Erleichtert stieß er die Luft aus und versuchte, sich zu beruhigen.
    Eine halbe Stunde verbrachte er damit, die Scherben aufzufegen, und er gab sich alle Mühe, dabei so viel Lärm wie möglich zu verursachen.
    Der Cop hieß Andy und war der Neffe eines alten Klassenkameraden, mit dem Ray die Highschool besucht hatte. Schon eine halbe Minute nach seinem Eintreffen waren dadurch gewisse Bande geknüpft. Während sie Maple Run in Augenschein nahmen, unterhielten sie sich über Football.
    Keines der unteren Fenster zeigte Spuren eines Einbruchsversuchs, und außer den Glasscherben war auch an der Küchentür nichts

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