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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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festzustellen.
    Während Andy von Zimmer zu Zimmer ging, suchte Ray oben nach Patronen, doch beide kamen von ihrer Suche erfolglos zurück. Ray kochte Kaffee, den sie auf der Veranda tranken, wo sie sich leise bis in die frühen Morgenstunden unterhielten. Um diese Uhrzeit war Andy der einzige Polizist, der in Clanton Dienst tat, und seinen Worten nach war auch er eigentlich überflüssig. »In der Nacht von Sonntag auf Montag passiert nie was«, sagte er. »Die Leute schlafen, um frisch in die Arbeitswoche zu starten. «
    Ray hakte ein bisschen nach, und Andy informierte ihn über die Kriminalität in Ford County - gestohlene Pick-ups, Prügeleien in irgendwelchen Spelunken, Drogenhandel in Lowtown, dem Viertel der Farbigen. Einen Mord, fügte er stolz hinzu, habe es in Clanton schon seit vier Jahren nicht mehr gegeben. Nachdem er um eine zweite Tasse Kaffee gebeten hatte, plapperte er weiter. Wenn es nötig sein sollte, würde Ray bis zum Sonnenaufgang Kaffee nachschenken und neuen kochen, weil es ihm sehr zusagte, dass ein Streifenwagen vor dem Haus parkte.
    Um halb vier verließ Andy ihn. Eine Stunde lang lag Ray auf der Matratze und starrte Löcher in die Decke. Die Waffe in seiner Hand war nutzlos.
    Um nicht einzuschlafen, dachte er darüber nach, wie er das Geld vor dem Zugriff anderer schützen konnte. Dagegen hatten Überlegungen bezüglich möglicher Investitionen noch Zeit. Wichtiger war ein Plan, wie er es aus der Besenkammer, aus dem Haus und dann an einen sicheren Ort transpor-tieren konnte. Musste er es nach Virginia bringen? In Clanton konnte er es nicht lassen. Und wann würde er es endlich zählen können?
    Irgendwann überwältigten ihn die Müdigkeit und die emotionalen Belas-tungen des Tages, und er nickte ein. Wieder ertönten die Geräusche, doch diesmal hörte er sie nicht. Die Küchentür, mittlerweile durch einen unter die Klinke geklemmten Stuhl und einen Strick gesichert, klapperte und schlug, aber Ray wachte nicht auf.

9
    Um halb acht weckte ihn das Sonnenlicht. Das Geld war noch da, niemand hatte es angerührt. Soweit er es beurteilen konnte, waren Türen und Fenster nicht geöffnet worden. Er kochte Kaffee, und während er am Küchentisch die erste Tasse trank, fällte er eine wichtige Entscheidung. Da womöglich jemand hinter dem Geld her war, durfte er es keinen Augenblick länger hier lassen.
    In dem kleinen Kofferraum seines Audis war kein Platz für siebenundzwanzig Blake & Son-Kartons. Um acht Uhr klingelte das Telefon. Es war Harry Rex. Er berichtete, dass er Forrest wohlbehalten im Deep Rock Motel abgeliefert habe, dass die für nachmittags um halb fünf angesetzte Zeremonie in der Rotunde des Gerichtsgebäudes genehmigt worden sei und dass er bereits eine Sopranistin und eine Fahnenwache organisiert habe.
    Außerdem brüte er gerade eine Lobrede auf den geliebten Freund aus.
    »Wie sieht’s mit dem Sarg aus? «, fragte er.
    »Um zehn sind wir mit Magargel verabredet«, antwortete Ray.
    »Gut. Und denk daran, nimm einen Eichensarg. Deinem ‘Vater hätte das gefallen.«
    Ein paar Minuten lang sprachen sie über Forrest. Das Gespräch unterschied sich kaum von den vielen anderen, die sie zu diesem Thema bereits miteinander geführt hatten. Nachdem Harry Rex eingehängt hatte, machte sich Ray sofort an die Arbeit. Er öffnete die Fenster und Läden, damit er jeden Besucher gleich sehen und hören konnte. In den Coffeeshops am Clanton Square verbreitete sich jetzt die Neuigkeit, dass der Richter gestorben war, und es war durchaus möglich, dass bald Besucher auf Maple Run auftauch-ten.
    Das Haus hatte zu viele Türen und Fenster, und Ray konnte schlecht rund um die Uhr Wache schieben. Wenn jemand auf das Geld scharf war, dann konnte es dieser jemand auch in seinen Besitz bringen. Angesichts von ein paar Millionen Dollar war eine Kugel in Rays Kopf eine gute Investition.
    Das Geld musste unbedingt weggeschafft werden.
    Vor der Besenkammer leerte er den Inhalt des ersten Kartons in einen schwarzen Müllsack aus Kunststoff. Nach acht weiteren Kartons befand sich ungefähr eine Million Dollar in dem Müllsack. Er schleppte ihn zur Küchentür und spähte nach draußen. Die leeren Kartons hatte er wieder in dem Kabinettschrank unter den Bücherregalen verstaut. Nachdem er zwei weitere Müllsäcke gefüllt hatte, setzte er seinen Wagen rückwärts so dicht wie möglich an die Terrasse vor der Küche. Dann überprüfte er, ob ihn jemand beobachtete, aber er bemerkte nichts. Die einzigen

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