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Der Ring Der Jaegerin

Der Ring Der Jaegerin

Titel: Der Ring Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Daseins erinnern zu können.
    Ich blieb bei ihm sitzen, wach und doch entspannt, bis die Morgendämmerung den See in bleigrauen Wellen kräuselte. Dann strich ich noch einmal über das dreifarbige Fell meines stillen Begleiters und schwang meine Beine von dem Felsen.
    Ich war erstaunt, weder Steifheit noch Müdigkeit zu verspüren. Auch kalt war mir nicht, obwohl sich der Atem vor meinem Gesicht zu Wölkchen ballte. Mit zügigen Schritten machte ich mich auf den Weg hinauf zum Sternpalast, um Bastet Merit und Amun Hab meinen Ungehorsam zu melden.
    Sie erwarteten mich beide. Wach und aufmerksam verfolgten sie meine Schritte, aber zeigten keinerlei Reaktion auf mein Kommen. Vor dem Podest blieb ich stehen und neigte meinen Kopf.
    »Ich habe gegen deinen Willen gehandelt, Majestät. Lickapaw ist jetzt tot.«
    Sie sahen mich beide sehr eindringlich an. Aber es lag kein Vorwurf in ihren Blicken. Eher etwas ganz anderes, das ich nicht deuten konnte.
    »Komm näher, Katharina«, befahl Bastet Merit, es klang nicht besonders verärgert. »Schau!«
    Sie wies mit der gesunden Pfote auf das rote Buch neben sich. Erst wunderte ich mich, dann, ganz langsam, erkannte ich, was geschehen war. Das siebte Siegel war gebrochen. Kleine Lacksplitterchen lagen da, wo gestern noch eine harte, starre Masse sich jeder mechanischen Einwirkung entzogen hatte.
    Das siebente Siegel, hab nun Acht,
    gelöst wird mit des Herzens Kraft.
    Erwarbst Du dazu Dir die Macht
    ist’s leicht, sonst wirst Du streng bestraft.
    Das namenlose Grauen droht,
    und Wahnsinn treibt dich in den Tod,
    entzifferte ich.
    »Es scheint, dass du das Richtige getan hast, weise Katharina. Es löste sich in den frühen Morgenstunden, als die weiße Wolke den Mond verdeckte.«
    Majestät wirkte erholter als seit langem. Es war wohl die Hoffnung, die ihr neue Kraft gab. Ich strich ehrfürchtig über das Buch, und heftige Neugier überfiel mich. So lange hatte ich jetzt gewartet, so viele Schwierigkeiten bewältigen müssen, jetzt wollte ich endgültig wissen, was mir meine Vorfahrin hier überlassen hatte. Aber bevor ich das Buch aufschlagen konnte, wurden wir noch einmal unterbrochen.
    Zwei graue Kater jagten in Höchstgeschwindigkeit den Pfad hoch und bremsten ihren Lauf hechelnd vor dem Podest.
    »Oh, hier bist du, Katharina. Verzeih, Majestät. Wir haben uns Sorgen gemacht. Diese Frau da ist heute Nacht nicht in ihre Laube zurückgekehrt.«
    »Schon gut, Algorab, sie war damit beschäftigt, das siebte Siegel zu lösen. Kommt mit dazu, wenn das Buch aufgeschlagen wird.«
    Majestät wedelte gnädig mit dem Schwanz, und mit eleganten Sätzen sprangen die beiden Kater neben sie. Ich krabbelte ihnen auf meine wenig elegante Weise nach.
    Die sieben Lederriemchen, die versiegelt gewesen waren, steckten jetzt nur noch lose in den Schlaufen. Eins nach dem anderen nestelte ich auf, dann hielten wir alle, der schwarze Kriegerweise, die mächtige, kranke Königin, der alte Thot, der geschmeidige Algorab und ich den Atem an.
    »Öffne es, Katharina. Du hast das Recht und die Kraft dazu.« Sehr blaue Augen, abgründig und wissend, lächelten mich an.
    Ich schlug die erste Seite auf.
    Dies Buch zu öffnen war Dein Streben,
    es wird Dir Kraft und Weisheit geben.
    Es gibt nur das Geheimnis preis
    dem, der um die Demut weiß.
    Dein wird das Wissen, Liebe, Macht,
    besiegt ist Zorn, der Tod, die Nacht.
    Du brachst die Siegel,
    betrachte Dich:
    Sieh in den Spiegel –
    erkennst du dich?

Kapitel 32
    Der Mond rundete sich im letzten Viertel, und ich saß an meinem Lieblingsplatz an dem kleinen Wasserfall hinter der Laube. In zwei Tagen würde ich zurückgehen in die Welt der Menschen und kleinen Katzen. Mich meinem Leben und meinen Problemen stellen. Ich verspürte keine Unruhe, keine Angst mehr davor. Tief in mir war die Gewissheit, dass für alles eine Lösung darauf wartete, gefunden zu werden. Das Wasser in dem Felsbecken spiegelte den nächtlichen Himmel, sternenbesetzt und beflockt von silbrigen Wölkchen. Die vergangenen Tage waren schön gewesen, der Frühling in Trefélin warm und trocken.
    Durch was für Welten, durch welches Chaos war ich gegangen, bis ich hierher gelangt war! Selbst mit dem Öffnen des letzten Siegels war das Ende noch nicht erreicht. Denn so viel ich auch geblättert und gelesen hatte, ein Rezept gegen Bastet Merits Rattenbiss-Wunde fand ich nicht. Zwar hatte meine Vorfahrin mit großer Systematik ihr Werk gegliedert, jede Pflanze, jedes Heilmittel, jedes Gift

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