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Der Ring Der Jaegerin

Der Ring Der Jaegerin

Titel: Der Ring Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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abgelenkt wurde. Erst durchzuckte mich ein furchtbarer Schrecken. Was, wenn Tamara den beiden Katzen entkommen war und mir hier auflauerte?
    Aber es war nicht Tamara. Es war eine Katze, die sich an das Ufer schleppte, um ein paar Schlucke Wasser zu trinken. Aber was für eine Katze. In diesem Paradies der Felinen hatte ich bislang nur äußerst gepflegte Geschöpfe gesehen, darum war der Anblick besonders erschreckend. Das Tier war bis auf die Knochen abgemagert, das weiß, schwarz und rot gefleckte langhaarige Fell verfilzt, verknotet, stumpf und an manchen Stellen ausgefallen. Die Augen waren verkrustet und tränten, die Nase war schorfig und tropfte. Und auch die Zähne schien das arme Wesen eingebüßt zu haben. Eine Woge von Mitleid stieg in mir auf. Barfuß glitt ich von dem Felsen hinunter und näherte mich der Katze.
    »Hallo, wer bist denn du? Ist dir etwas passiert? Kann ich dir helfen?«
    Die Katze reagierte nicht, aber sie lief auch nicht fort. Ich strich vorsichtig über den zotteligen Nacken und wurde mit einem ganz kleinen Schnurren belohnt. Dabei fiel mir auf, dass in den Ohren kein Ring steckte, und ich ahnte, warum ich keine Antwort bekam. Das Tier konnte mich nicht verstehen. Aber ich wollte ihm so gerne helfen. Darum schob ich meine Hand unter sein Kinn und hob den Kopf hoch, so dass es mir in die Augen sehen musste. Der Blick brach mir fast das Herz. Arme, kranke Katze. Ich setzte mich neben sie und legte meinen Arm um den knochigen, mageren Nacken. Mir fiel einfach nichts ein, was ich tun konnte, da mich das Tier ja nicht verstand. Aber ich hätte doch zu gerne gewusst, welch furchtbares Verbrechen mit dem Ausgestoßensein gebüßt wurde.
    So, Seite an Seite, fand uns Amun Hab, der ebenfalls zum See kam, um seinen Durst zu löschen. Er sah mich ziemlich irritiert an, und die Katze neben mir drückte sich mit dem Bauch am Boden rückwärts in das Ufergebüsch.
    »Amun Hab, was war das für ein bedauernswertes Geschöpf?«, fragte ich und angelte mit meinen bloßen Zehen nach meinen Socken.
    »Ein Ausgestoßener. Kümmere dich nicht um ihn.«
    Der Weise war sehr kurz angebunden zu diesem Thema, aber ich wollte so schnell nicht nachgeben.
    »Es mag ja sein, dass mich das nichts angeht, aber meinst du nicht, dass ich euch besser verstehen würde, wenn ich zu eurer Gesellschaftsstruktur ein paar zusätzliche Informationen bekäme? Ich suche nach einer Antwort auf eine schwierige Frage. Und dabei stochere ich wirklich im Dunkeln herum. Vielleicht hilft mir das irgendwie weiter.«
    »Das glaube ich kaum.«
    »Amun Hab, sei nicht so zugeknöpft.«
    »Majestät hat schon recht, ein renitenter Zug um die Nase. Na gut, du sollst es wissen. Dieser Kater hatte einst große Anlagen, dreifarbige Kater sind eine Laune der Natur und gelten überall als Glücksbringer. Er hatte Zugang zu unserem geheimen Wissen und nutzte es aus, indem er sich habgierig und machtlüstern mit dem Bösen verband, von dem wir nicht einmal mehr ahnten, dass es noch existierte. Er hatte mit den Ratten ein Abkommen getroffen, das ganz Trefélin und sicher auch einen Teil deiner Welt ins Unglück gestürzt hätte. Zum Glück fanden es einige von uns heraus und vernichteten den Anführer der Ratten. Dabei fand eine der Hofdamen, Hatschepsut, den Tod. Wir nahmen dem Kater seinen Ring und seinen Namen. Und namenlos wird er sich in seinem nächsten Leben nicht mehr erinnern, wer er war. Er wird auf der untersten Ebene der Katzen im Kreis des Lebens beginnen müssen – auf der Suche nach einer neuen Identität. Er wird sich erst wieder erinnern können, wenn irgendjemand ihm einen Namen gibt.«
    »Ich fange langsam an zu verstehen. Eure Namen sind sehr alt. Es ist also ein furchtbarer Rückschritt für ihn. Aber hat er das wirklich verdient?«
    »Hat Bastet Merit es verdient, monatelang krank an einem Rattenbiss dahinzusiechen?«
    »Nein, nein, natürlich nicht.«
    Ich schüttelte mich, denn etwas stimmte nicht an der Argumentation.
    »Amun Hab, hat denn der Namenlose das alles mit der Absicht getan, Trefélin zu zerstören? Oder war es Unwissenheit, Versuchung oder gar Dummheit?«
    »Ist das nicht im Hinblick auf das Ergebnis das Gleiche?«
    Darauf konnte ich wenig sagen. Es stand mir natürlich nicht an, das Rechtssystem dieses Volkes anzuzweifeln. Aber dieser müde, verwahrloste Kater, der sterben wollte, aber wusste, dass er damit seine Existenz auslöschte, der tat mir in der Seele leid. Ich sah zu der Stelle hin, wo er verschwunden

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