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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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zugefallen, sein Vorhaben zu vereiteln, um welchen Preis auch immer. Aber der schrecklichste Aspekt ihres Dilemmas bestand daraus, daß ihre Sinne in seiner zur Einheit verschmolzenen Entschlossenheit und Gewißheit weder Wahnsinn noch Bosheit feststellen konnten. Angetrieben von einer Absicht, die eindeutig entweder verrückt sein oder auf boshaftem Vorsatz beruhen mußte, wirkte er mehr denn je wie der gleiche starke, gefährliche und unbezwingbare Mann, in den sie sich ursprünglich verliebt hatte. Sie war nie dazu imstande gewesen, ihn von sich zu weisen. Kevin jedoch hatte das Land mindestens genauso geliebt wie jeder andere, und die Erinnerung an seinen Protest setzte Linden nicht weniger zu als das Unwetter. Wann immer das Böse zu voller Macht aufsteigt, übertrifft es das Wahre und trägt die Verkleidung des Guten, ohne Entdeckung fürchten zu müssen.
    Bosheit oder Wahnsinn. Solange sie darauf verzichtete, sich den Zutritt zu seinem Innenleben zu erzwingen, ihm seine Vorstellungen von sich selbst zu entringen, um sie einer Begutachtung zu unterziehen, mußte es ihr unmöglich bleiben, den Unterschied zu ermitteln. Einmal allerdings, als sie in sein Inneres eingedrungen war – bei dem Versuch, ihn des seinem Geist von den Elohim aufgezwungenen ›Schweigens‹ zu entledigen –, hatte er sich ihr in der Gestalt Marids gezeigt, eines Unschuldigen, den ein Wütrich und das Sonnenübel zu einem Monstrum gemacht hatten. Einem Werkzeug des Verächters.
    Deshalb floh sie vor Covenant, eilte zitternd und schlotternd durch die Hügellandschaft. Sie konnte die Wahrheit nicht herausfinden, ohne von seinem Bewußtsein Besitz zu ergreifen. Und das war eine Schlechtigkeit an sich. Es war eine Art des Tötens, eine Sonderform des Todes. Sie hatte bereits ihre Mutter der Finsternis ihrer ungestillten Gier nach der Macht des Todes geopfert. Linden suchte keine Zuflucht, weil ihr an dergleichen nicht lag. Sie floh vor Covenant, weil sie das fürchtete, was eine Konfrontation mit ihm heißen mußte. Und sie wanderte weiter, während das Unwetter sie umwehte und umtoste, weil sie keine Alternative sah. Sie hielt sich ostwärts, marschierte dem Ort entgegen, an dem die Sonne aufgehen würde – den hohen, eingezogenen Schultern, dem Haupt und der Krone des Donnerbergs. Und Lord Foul.
    Ihre Zielstrebigkeit zeichnete sich durch die grimmige Unbeirrbarkeit einer völlig verrückten, fixen Idee aus – doch was hätte sie anderes tun können? Was sollte sie anderes unternehmen, wenn nicht den Versuch wagen, den Verächter aufzuspüren und unschädlich zu machen, ehe Covenant überhaupt dazu kam, es mit seiner irrsinnigen Methode zu versuchen? Es gab keine andere Möglichkeit, ihn zu retten, ohne von seiner Seele Besitz zu ergreifen – ohne sich selbst, ihn und das Land der Gefahr auszusetzen, die mit dem hitzigen Lechzen ihrer inneren Kapazität der Schwärze einherging.
    So ist es richtig , dachte Linden. Genauso habe ich es verdient . Sie wußte, daß sie sich belog. Der Verächter mußte in grauenvollem Maße stärker sein als jeder Wütrich; und sie hatte die bloße Nähe Samadhi -Sheols kaum zu verkraften vermocht. Dennoch blieb sie hartnäckig. Trotz der Nacht, trotz des Unwetters, das über Andelain die Sterne und den Mond aussperrte, sah sie mit der Klarheit einer Vision, daß ihr vorangegangenes Leben so wie das Land gewesen war, ein im Griff der Verderbnis befindliches Territorium. Sie hatte hingenommen, daß die Erbschaft ihrer Eltern sie um natürliche Gesundheit und normales Wachstum brachte, hatte ein finsteres Verlangen ihre Tage beherrschen lassen wie einen Wütrich. In gewissem Sinne war sie von jenem Tag an von Haß besessen gewesen, an dem ihr Vater zu ihr gesagt hatte: Du hast mich ja sowieso nie geliebt. Von Haß, der sowohl dem Leben wie auch dem Tod galt. Dann aber war Covenant in ihr Dasein getreten, so wie er das Land betreten hatte, nämlich indem er alles änderte. Er hatte etwas anderes als Verzweiflung verdient. Und sie besaß darauf ein Recht, das Verächtertum herauszufordern, das sie verdorben, ihr die Fähigkeit zum Lieben, sie von allem Lebendigen der Existenz abgeschnitten hatte. Sie sah dazu das Recht und die Notwendigkeit.
    Die ganze Nacht hindurch zog sie nach Osten. Allmählich ließ der Sturm nach, der Regen schwächte mit der Zeit wieder zu einem Nieseln ab, und anschließend verzog sich das schlechte Wetter ganz, enthüllte einen Himmel, der so klar war und derartig von Sternen glitzerte,

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