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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Linden, ein Lager in der Kombüse. Mit jedem Tag verstärkte sich der Wind, und gleichzeitig nahm in der Luft die eisige Kälte zu. Die ›Sternfahrers Schatz‹ schoß wie ein Wurfspieß dem von Eis zerfressenen Herzen des hohen Nordens entgegen. Wenn Riesen in die Kombüse kamen, um Essen zu holen oder um sich nur etwas aufzuwärmen, war ihre Kleidung steif von grauem Rauhreif, der nach dem Schmelzen Matschpfützen am Fußboden hinterließ. Eis verklumpte ihnen Bärte und Haar, und die Belastung stand ihnen in den Augen geschrieben. Covenant machte gelegentlich Ausflüge an Deck, um den Zustand des Schiffs in Augenschein zu nehmen; aber was er sah – das wütende Brodeln der See, das tiefe Gewölk, die Brocken erstarrter Gischt, die an der Reling hingen, weil die Mannschaft unter zu großem Arbeitsdruck stand, um sie entfernen zu können –, scheuchte ihn jedesmal bald wieder mit einem kalten Knoten in der Brust zurück in die Kombüse.
    Einmal wagte er sich so weit nach vorn, daß er Findail sehen konnte. Als er wiederkehrte, waren seine Lippen rauh von der Kälte und von Flüchen. »Der Lump merkt nicht mal was«, nuschelte er, an niemanden gewandt, obwohl nicht nur Linden und die beiden Köche anwesend waren, sondern auch Pechnase, Nebelhorn und eine Handvoll anderer Riesen. »Es bläst einfach durch ihn hindurch.« Er vermochte seine Empörung nicht zu erklären. Er empfand es schlichtweg als ungerecht, daß der Ernannte vom Schicksal der Dromond verschont blieb.
    Aber Linden beachtete Covenant nicht; ihre Aufmerksamkeit galt gänzlich Pechnase, als trüge sie sich mit der Absicht, ihm eine wichtige Frage zu stellen. Zunächst erhielt sie allerdings keine Gelegenheit, um ihre Frage anzubringen. Pechnase neckte Seesoße und Herdglut wie ein übermütiges Kind und lachte über den hintergründigen Humor ihrer Entgegnungen. In seiner krummen Gestalt stak der großmütige Geist eines Riesen, und seine Gabe zur Heiterkeit überstieg die normale Kapazität eines einzelnen Riesen erheblich. Seine Scherze zerstreuten sogar Covenants verdrossene Stimmung in gewissem Umfang. Zu guter Letzt entlockte Pechnase den beiden Köchen ein unfreiwilliges Lachen; und daraufhin ließ er sich in Covenants und Lindens Nähe nieder; die Hitze der Herde glänzte auf seiner Stirn. Covenant bemerkte sehr wohl Lindens Spannung, als sie ihre Frage an Pechnase richtete. »Pechnase, was erwartet uns?« Der Riese schaute sie mit einem Gebaren der Überraschung an, das durchaus vorgetäuscht sein mochte. »Niemand will darüber reden«, ergänzte Linden. »Ich habe Windsbraut und Derbhand gefragt, aber sie sagen bloß, die ›Sternfahrers Schatz‹ könnte noch ewig so weitersegeln. Selbst Nebelhorn meint, er täte mir einen Gefallen, wenn er den Mund hält.« Nebelhorn starrte angestrengt an die Decke der Kombüse empor, verhielt sich so, als ob er das Gespräch nicht hörte. »Deshalb frage ich jetzt dich. Du hast nie etwas vor mir zurückgehalten.« Lindens Stimme umfaßte vielschichtige Schwingungen innerer Zermürbung. »Was erwartet uns?«
    Außerhalb der Kombüse erzeugte der Wind ein sonderbares Pfeifen, indem er durch die Ankerlöcher fuhr. Frost knirschte in den Spalten der Türen. Es behagte Pechnase nicht, Lindens Blick zu erwidern; aber sie ließ nicht von ihm ab. Nach und nach zerrann seine gute Laune; und durch den Kontrast, den seine stumme Furcht hervortreten ließ, wirkte er älter, zerrüttet. Aus unklarem Grund entsann sich Covenant an eine Geschichte, die ihm Linden in den Tagen, bevor sie Elemesnedene erreichten, erzählt hatte – die Geschichte der Rolle, die Pechnase beim Tod des Vaters der Ersten hatte spielen müssen. Der Riese sah nun aus wie jemand, der zu viele Erinnerungen besaß.
    »Ach, Auserwählte«, antwortete er schließlich mit einem Seufzen. »Meine Sorge ist die, daß uns jener Klagewind gefangen hat, der dem Seelenbeißer entgegenweht.«
     
    Dem Seelenbeißer.
    Pechnase nannte ihn ein unverläßliches Meer, nicht nur, weil jedes Schiff, das je in den Seelenbeißer geraten war, in einem anderen Teil der Welt in ihn gelangte, sondern auch, weil die Besatzung jedes Schiffs, das ihm entrann, eine andere Geschichte erzählte. Manche Schiffe begegneten im Süden Stürmen und Riffen; andere kehrten aus vollkommenen Kalmen im Osten zurück; wieder andere wußten von üppigen, undurchdringlichen Ansammlungen von Tang im Westen zu berichten. Trotzdem kannte man den Seelenbeißer, wie er eben war; denn kein

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