Der Ring der Kraft - Covenant 06
Doch sie spürte im Wind keine Anzeichen für seinen Einfluß.
Als Covenant ihren Befund Blankehans weitererzählte, zuckte der Kapitän die Achseln, verbarg seine Gedanken hinterm Bollwerk seiner Brauen. »Gleichwohl«, murmelte er, als höre er nicht einmal sich selbst zu, »sollte der Wind arg werden, muß ›Sternfahrers Schatz‹ mit ihm segeln. Ohne Großmast will ich's nicht wagen, ihm Widerstand zu entbieten. Dazu besteht ohnehin keine Notwendigkeit. Gegenwärtig beträgt die Abweichung von unserem eigentlichen Kurs kaum eine Spanne.«
Damit hätte Covenant beruhigt sein sollen. Im Vergleich zu Blankehans verfügte er über keine nennenswerten Erfahrungen in der Seefahrt. Doch die Unruhe in seinem Innern wollte sich nicht besänftigen lassen. So wie Windsbraut vermittelte auch der Kapitän ihm den Eindruck insgeheimer Sorge.
Im Laufe der beiden nächsten Tage erwies sich der Wind als in wachsendem Maß unangenehm. Er wehte mit unablässiger Heftigkeit mit ein paar Strich westwärtiger Abweichung in nördlicher Richtung, wühlte die See auf wie eine Pflugschar, heulte über die Decks der Dromond, als bejammere er die eigene Eisigkeit. Trotz ihrer Geschwindigkeit schien die ›Sternfahrers Schatz‹ nicht mehr so schnell zu sein; der Wind drängte die Meeresfluten selbst nordwärts, und was der Bug an geringer Bugwelle erzeugte, verlief sich sofort. Wolken bedrückten die Welt von Horizont zu Horizont. Die Segel sahen grau und brüchig aus, während sie den schweren Stein des Schiffs dahintrugen.
In der folgenden Nacht brach Kälte ein. Als Covenant am nächsten Morgen schlotternd aus seiner Hängematte kletterte, entdeckte er in der Waschschüssel, die Cail für ihn bereitgestellt hatte, eine Eisschicht. Schwache Frostflecken hatten sich auf dem gemaserten Granit gebildet, als hätten die Wände feuchte Nässe aufgesaugt. Als Covenant auf dem Weg zur Kombüse an Hohl vorüberkam, sah er die schwarze Gestalt des Dämondim-Abkömmlings fleckig von Reif, als hätte er Lepra.
Aber die Riesen gingen ihren Aufgaben nach wie stets. Gefeit gegen Feuer, wenn auch nicht gegen Schmerz, wie sie waren, konnte auch Kälte ihnen nichts anhaben. Die Mehrzahl war in der Takelage beschäftigt, kämpfte droben gegen die Froststarre der Taue an. Für eine Weile, während ihm die Augen tränten, vermochte Covenant sie nur undeutlich zu sehen, und er dachte, sie rollten die Segel auf. Dann jedoch sah er aus dem Segeltuch weißliche Wölkchen wehen, als entströme ihnen Dampf, und begriff, daß die Riesen auf die Segel einklopften, um dagegen vorzubeugen, daß der Frostbelag sich zu Eis auswuchs. Eis könnte die Segeltuchbahnen von den Rahen reißen, die ›Sternfahrers Schatz‹ seeuntüchtig machen, während das Überdauern der Dromond von ihrer Fahrt abhing.
Covenants Atem verkrustete ihm den Bart, und er ließ sich vom Wind nach vorn treiben. Ohne Cails Unterstützung wäre es ihm unmöglich gewesen, die Tür zur Kombüse aufzuwuchten. Eissplitter sprangen aus dem Türspalt, fielen einwärts, als der Haruchai die durch die Feuchtigkeitsentwicklung des Kochens verursachte Versiegelung aus Eis aufbrach. Mit einer Bö im Rücken, die kräftig ins Innere ihr, tat Covenant einen Satz über den Wellenbrecher und geriet fast ins Taumeln, als die Tür hinter ihm mit gehörigem Knall zuschlug.
»Stein und See!« schnauzte Herdglut rotgesichtig und in harmlosem Zorn. »Seid ihr Narren, daß ihr bei diesem Sturmwind von achtern statt von vorn eintretet?« Mit einem Schöpflöffel, von dem Brühe troff, deutete sie hinüber zur anderen Tür. Hinter ihr schloß Seesoße entrüstet die Herdklappe. Aber schon einen Moment später war die Verärgerung vergessen; er reichte Covenant eine beschlagene Flasche mit verdünntem Diamondraught, und Herdglut füllte ihm aus dem riesigen steinernen Topf, an dem sie tätig war, Suppe in eine Schüssel. Aus Verlegenheit unbeholfen, setzte sich Covenant neben Linden an die Wand, wo sie den Köchen nicht im Weg waren, und versuchte, seine Gliedmaßen wieder ein wenig aufzuwärmen.
Auch in den folgenden Tagen verbrachte er dort einen Großteil der Zeit, teilte mit Linden die Wärme und den erträglichen Lärm der Kombüse. Trotz der Gefühllosigkeit seiner Nerven war die Kälte zu durchdringend für ihn; für Linden war sie aufgrund der Empfindlichkeit ihrer Sinne allerdings noch schlimmer. Covenant unternahm noch einmal einen Versuch, in seiner Kabine zu schlafen; aber danach bereitete er sich, wie
Weitere Kostenlose Bücher