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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Mißmut entgegen; aber auch sie sah nicht ab, was kam. Und die Riesen erhielten gar keine Vorwarnung.
    Im einen Augenblick lag die ›Sternfahrers Schatz‹ vor dem Heulen des Sturms und durchquerte das erbitterte Herz einer von Wolken zusätzlich verfinsterten Nacht; im nächsten Moment fuhr ein Ruck durch die Dromond, als hätte sie einen Satz nach vorn getan wie ein Roß mit zusammengekoppelten Beinen, und der Wind blieb schlagartig aus. Die Plötzlichkeit der Stille traf das Schiff wie eine Detonation. Nichts war zu hören außer dem leisen Klirren und Klingen von Eis, das aus den unversehens erschlafften Segeln herabrieselte. Linden richtete ihre Sinneswahrnehmung von Seite zu Seite, erkundete das Schiff. »Wir haben angehalten«, sagte sie leise und verblüfft. »Einfach so.«
    Einen Moment lang rührte sich niemand. Dann ging Nebelhorn zur bugwärtigen Tür, trat sie aus ihrer Einrahmung von Frost. Kälte strömte herein, so uneingeschränkt wie ein Winter des absoluten Nullpunkts; aber sie hatte hinter sich keinen Wind. Die Luft überm Riesen-Schiff war reglos. Rufe erschollen über die Decks. Trotz seiner inneren Stille folgte Covenant, als Nebelhorn und Linden an Deck stiegen, ihnen hinaus in die Nacht.
    Die Wolken waren verschwunden; die Dunkelheit glich in ihrer Klarheit und Scharfumrissenheit einer Messerklinge. Lichtkreise erhellten das Riesen-Schiff, während Besatzungsmitglieder weitere Laternen anzündeten. Der Mond stand gelb und kläglich tief im östlichen Horizont. Zwar zeigte er fast sein volles Rund, schien jedoch keinerlei Helligkeit zu spenden, auf dem schwarzen, verborgenen Antlitz der Fluten keinen Glanz zu erzeugen. Sterne übersäten den Nachthimmel in sämtlichen Richtungen, als wäre ihrer Existenz aller Sinn abhanden gekommen. »Was, zum ...?« murmelte Linden bei sich. Doch anscheinend vermochte sie die Frage nicht zu vollenden.
    Von verschiedenen Enden des Schiffs fanden sich Blankehans und Pechnase ein. »Mich deucht's, wir sind da«, sagte Pechnase, als sich die Erste zu ihnen gesellte, mit einem Gleichmut, der nicht überzeugen konnte.
    Covenant fühlte sich zu betäubt, um zu frieren. An seiner Seite zitterte Linden dagegen ziemlich heftig. »Was tun wir jetzt?« wollte sie in beklommenem Tonfall wissen.
    »Tun?« wiederholte Blankehans zerstreut. Sein Gesicht erweckte den Anschein, als wäre er umnachtet, sein Geist gänzlich ausgehöhlt. »Dies ist der Seelenbeißer. Wir müssen abwarten und schauen, was sein Wille ist.« Dunstwölkchen drangen aus seinem Mund, als entweiche ihm mit jedem Wort ein Teil der Seele.
    Sein Wille , dachte Covenant dumpf. Mein Wille. Fouls Wille. Nichts machte einen Unterschied aus. Stille war Sicherheit. Wenn er keine Hoffnung haben durfte, wollte er sich mit Gefühllosigkeit abfinden. Er kehrte in die Kombüse zurück, rollte sich auf seinem Lager zusammen und schlief unverzüglich ein.
    Am nächsten Morgen weckten ihn Kälte und Ruhe. Die Herde gaben keine Wärme mehr ab. Außer Cail befand sich niemand bei ihm in der Kombüse; sie war verlassen, wirkte wie aufgegeben. Auf der ›Sternfahrers Schatz‹ herrschte eine derartige Ruhe, als seien Covenant und der Haruchai die einzigen Menschen an Bord.
    Eine bange Anwandlung suchte Covenant heim, bedrohte seine Gefaßtheit. Mit Gliedmaßen, die von Schlaf und Kälte starr und steif waren, raffte er sich mühsam auf. »Wo ...?« setzte er schwächlich zu einer Frage an. »Wo sind sie alle hin?«
    Cails Antwort kannte weder Betonung noch Nachsicht. »Sie haben sich an Deck begeben, um den Seelenbeißer zu betrachten.« Covenant zuckte zusammen. Er hatte keinerlei Lust zum Verlassen der Kombüse. Er fürchtete die Wiederkehr von Empfindungen, Schmerz und Verantwortung. Doch Cails ausdrucksloser Blick zeichnete sich durch Hartnäckigkeit aus. Cail war ein Haruchai, ein Volksgenosse Brinns und Bannors. Seine Kameraden Ceer und Hergrom hatten ihr Leben geopfert. Er besaß ein Recht auf Ansprüche. Und sein Blick sprach mit der Deutlichkeit von Worten. Es ist genug. Du mußt nun weitermachen.
    Covenant mochte nicht ins Freie. Aber er glättete seine zerknitterte Kleidung, unternahm eine bewußte Anstrengung, um sein verletzliches Innerstes ganz und gar in Stille zu hüllen. Als Cail ihm die Tür öffnete, stieg er über den Wellenbrecher und schlurfte, indem er vor sich hin blinzelte, hinaus in den hellen, eiskalten Morgen.
    Nachdem sie so viele Tage lang hinter düsteren Wolkenmassen verborgen gewesen war,

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