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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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werde ihr zukommen, nicht Covenant; daß eben ihr Unterscheidungsvermögen zwischen Krankem und Gesundem sie dazu treiben würde, jede Untat am Lande zu begehen, die sich der Verächter nur wünschen könnte. Und danach war sie von dem Wütrich berührt worden; er hatte seine Bosheit wie ein Destillat der Verderbtheit in ihr wehrloses Fleisch verströmt; und das Gräßliche dieser Schändung hatte sie für zwei Tage in Lähmung gestürzt, so tief wie Katatonie.
    Als sie diesen Zustand überwunden hatte – nachdem sie durch Covenant aus Schwelgensteins Kerker befreit worden war –, zog sie es eine Zeitlang vor, den Möglichkeiten ihrer speziellen Wahrnehmung völlig den Rücken zuzukehren. Sie flehte Covenant an, sie zu schonen, so wie er Joan zu schonen versucht hatte. Und sie begann es sich erst anders zu überlegen, als sie nach und nach darüber Klarheit gewann, daß ihre Sinne sie auch für das Schöne empfänglich machten, daß sie, wenn sie sie der Wahrnehmung des Kranken auslieferten, sie auch dazu befähigten, es zu heilen.
    Nun war sie eine andere Frau; der Gedanke daran, wie sehr sie sich weiterentwickelt hatte, über sich hinausgewachsen war, demütigte Covenant. Aber die Prüfung des Sonnenübels stand ihr noch bevor. Er wußte nicht, was in ihrem Herzen vorging; doch ihm war klar, daß sie bald gezwungen sein sollte, eine Bürde auf sich zu laden, die sich schon einmal als zu schwer für sie erwiesen hatte. Eine Bürde, die sie kein zweites Mal auf sich nehmen müßte, hätte er nicht zugelassen, daß sie glaubte, sie besäßen eine gemeinsame Zukunft.
    Der Feuerschein und die Mühsal des überstandenen Tages ließen Lindens Gesicht vorm Hintergrund der Nacht rötlich aussehen. Ihr seit langem ungepflegtes Haar flatterte zu beiden Seiten ihres Kopfes. In ihren Augen tanzten Spiegelungen der vom Wind hin und her gepeitschten Flammen. Sie ähnelte einer Frau, deren Gesichtszüge nicht länger ihrem Willen gehorchten, sich weigerten, die Miene charakteristischer Strenge anzunehmen, die sie einst fürs Leben gezeichnet hatte. Sie war drauf und dran, an jenen Ort, in jene Gefahr zurückzukehren, durch die sie gelernt hatte, sich selbst für schlecht zu halten. Für schlecht und verdammt.
    »Ich hab's dir nie erzählt«, sagte sie schließlich leise. »Ich wollt's ganz einfach vergessen. Wir sind so weit vom Land entfernt gewesen ... sogar Gibbons Drohungen sind mir nach einiger Zeit irgendwie unwirklich vorgekommen. Aber jetzt ...« Für einen Moment folgte ihr Blick dem Wind. »Ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken.«
    Nach der Kraßheit der Dinge, die sie ihm bereits enthüllt hatte, bestürzte es Covenant, nun zu hören, daß es noch mehr zu offenbaren gab. Aber er nahm sich zusammen, so gut er dazu imstande war, ließ in der Aufmerksamkeit nicht nach, die er ihr entgegenbrachte. »In der Nacht ...« Pein stahl sich in ihre Stimme. »In der ersten Nacht an Bord der ›Sternfahrers Schatz‹. Ehe ich endlich dahinterkam, daß wir einen Wütrich auf dem Schiff hatten. Bevor dich die Ratte gebissen hat.« Covenant erinnerte sich; der Biß hatte einen Gift-Rückfall verursacht, durch den die Expedition fast schon am Anfang gescheitert, die Sucher und ihre Dromond beinahe zugrunde gegangen wären, ehe es Linden gelang, eine Möglichkeit zu finden, wie sie zu ihm durchdringen und ihn behandeln konnte. »Da habe ich einen ganz entsetzlichen Alptraum gehabt.«
    Mit gedämpfter Stimme schilderte sie den Traum. Sie waren wieder in den Wäldern hinter der Haven Farm gewesen, und Covenant hatte Joans Stelle eingenommen, sich der durch Lord Foul irregeleiteten Bande von Fanatikern auf Gnade oder Ungnade ergeben; und sie, Linden, war den Hang hinuntergerannt, um ihn zu retten. Doch nie im Leben wäre sie dazu imstande gewesen, die Gewalttat zu vereiteln, mit der man ihm das Messer in die Brust stieß. Und aus der Wunde war mehr Blut gequollen, als sie je im Leben gesehen hatte. Es sprudelte aus Covenant hervor, als wäre mit diesem Stich eine ganze Welt gemeuchelt worden. Als hätte der Dolchstoß das Herz des Landes getroffen. Linden war völlig außerstande dazu gewesen, den Blutstrom zu stillen. Bei dem Versuch wäre sie statt dessen fast ertrunken. Im ungewissen Feuerschein konnte man ihr das Grausen, das die Erinnerung an jenen Traum ihr bereitete, deutlich ansehen; aber sie scheute das Weiterreden nicht. Sie mußte sich schon seit längerem mit ihren Fragen quälen und war sich anscheinend mit

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