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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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furchtbarer Genauigkeit über das im klaren, was sie zu fragen hatte. Sie schaute direkt in Covenants Blick der Betroffenheit. »Auf dem Kevinsblick hast du zu mir gesagt«, meinte sie, »es gäbe zwei verschiedene Erklärungen. Eine äußere und eine innere. Wie der Unterschied zwischen Chirurgie und Medizin. Die innere Erklärung war, daß wir uns in einem gemeinsamen Traum befänden. ›Wir sind in einen unterbewußten Vorgang einbezogen‹, hast du gesagt. Das paßt. Wenn wir träumen, dann ist natürlich jede Heilung, die hier geschieht, bloß eine Illusion. Sie kann keine Wirkung auf unsere drüben zurückgebliebenen Körper haben, auf unsere physische Kontinuität in der Welt, aus der wir nach hier übergewechselt sind. Aber was bedeutet es, wenn man in einem Traum einen Alptraum hat? Ist das nicht eine Art von Prophezeiung?«
    Lindens Direktheit verblüffte Covenant. Sie war ihm voraus; er konnte ihre Überlegungen nicht nachvollziehen, ohne eine gewisse geistige Akrobatik zu betreiben. Was seine Träume betraf ... »Nichts ist so einfach«, erhob er überhastet Einspruch. Aber dann stockte er notgedrungen. Ein Moment der Verlegenheit verstrich, bevor er ein Argument fand, das ihrer Ansicht widersprach. »Du hast den Traum unterm Einfluß eines Wütrichs gehabt ... nur geträumt, was dir von ihm an Empfindungen eingeflößt worden ist. Lord Fouls Prophezeiung ... nicht deine. Dadurch ändert sich überhaupt nichts.«
    Linden sah ihn nicht länger an. Sie hatte den Kopf gesenkt, die Stirn in die Handfläche gestützt; aber die Hände verbargen nicht die Tränen, die lautlos über ihre Wangen rannen. »Das war, bevor ich etwas von Macht verstanden habe.« Mit einer Offenheit, die Covenant grämte, verriet sie die Ursache ihres Kummers. »Ich hätte Hamako retten können. Sie allesamt hätte ich retten können. Du bist dicht vor einem Ausbruch gewesen. Ich hatte die Möglichkeit, deine wilde Magie anzuwenden und dem Croyel das Herz auszureißen. Ich bin für den Bogen der Zeit keine Gefahr. Keiner von ihnen hätte sterben müssen.«
    Grauen verzerrte ihre Miene wie tiefempfundene Schande. Covenant wußte, daß sie die Wahrheit sagte. Das Wahrnehmungsvermögen ihrer Sinne wuchs noch immer. Bald würde sie zu buchstäblich allem imstande sein. Er unterdrückte ein Aufstöhnen. »Warum hast du's nicht getan?«
    »Weil ich nur Augen für dich gehabt habe!« fuhr sie ihn wie in plötzlicher Zerrüttung an. »Weil ich mit ansehen mußte, wie du dir den Arm zerschlägst. Ich konnte an gar nichts anderes denken.«
    Der Anblick ihrer Qual befähigte ihn dazu, sich voll in den Griff zu bekommen, half ihm dabei, seine instinktive Panik niederzuringen. Er durfte sich keine Furcht erlauben. Linden hatte etwas Besseres von ihm verdient.
    »Ich bin froh, daß du's nicht getan hast«, sagte er. »Nicht meinetwegen. Ich bin wegen Hamako froh, daß du's nicht gemacht hast.« Er dachte an Lindens Mutter. »Du hast's ihm ermöglicht«, fügte er hinzu, »seinem Leben selber einen Sinn zu verleihen.«
    Da ruckte Lindens Kopf hoch; ihr Blick traf ihn so durchdringend wie eine Klinge. »Er hat den Tod gefunden!« fauchte sie, als äußere sie eine Verwünschung, die zu nachdrücklich und zu persönlich war, um sie zu schreien. »Er hat dir mindestens zweimal das Leben gerettet, hat sein ganzes Leben damit zugebracht, dem Land zu dienen, das dir angeblich soviel bedeutet, und das Volk, das ihn bei sich aufgenommen hat, ist fast vom Angesicht der Erde vertilgt worden, und er selbst hat den Tod gefunden!«
    Covenant schrak nicht zurück. Nun war er auf alles vorbereitet, was sie ihm entgegenschleudern mochte. Seine Alpträume waren schlimmer. Und er hätte seine Seele für die Fähigkeit gegeben, sich Hamako als ebenbürtig zu erweisen. »Ich bin nicht erfreut über seinen Tod. Ich bin froh, weil es ihm gelungen ist, eine Antwort zu finden.«
    Für einen ausgedehnten Moment erwiderte Linden seinen Blick. Dann wich der Zorn langsam aus ihrer Miene. Schließlich senkte sie die Augen. »Entschuldigung«, sagte sie schwerfällig. »Ich kapier's halt nicht. Töten ist falsch.« Die Erinnerung an ihre Mutter war ihr ebenso gegenwärtig, wie sie es Covenant war. »Herrgott, es müßte aber doch besser gewesen sein, sie zu retten, als sie umkommen zu lassen!«
    »Linden.« Eindeutig mochte sie von ihm nichts Gegenteiliges hören. Sie hatte die grundlegende Frage ihres Daseins angesprochen und verspürte das Bedürfnis, sie selbst zu beantworten.

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