Der Ring des Sarazenen
Stimme gewichen. Sie klang plötzlich so mitfühlend und sanft, wie Robin sie noch nie von ihm gehört hatte. Aber seine Worte brachten keinen Trost; er sprach nur aus, was auch die Stimme der Vernunft ihr zu sagen versuchte. Sie war einfach nicht in der Lage, mit dem Gefühl von Schuld fertig zu werden, das dieser unwürdige Anblick in ihr auslöste, und auch Harun konnte ihr diese Last nicht abnehmen.
Der Sklavenhändler auf dem Podest begann mit einer wohlklingenden, klaren Stimme zu sprechen: »Dieses junge, kräftige Weibsstück kommt aus einem Fischerdorf an der Küste. Sie hat starke Hände und ist harte Arbeit gewöhnt. Ihr fügsames Wesen macht sie zu einer guten Dienerin in Haus und Küche. Sie ist gesund, hat kein Ungeziefer in den Haaren und besitzt noch fast alle Zähne.«
Mit einer überraschenden Bewegung riss er der jungen Frau das Leinentuch vom Leib. Die Sklavin stieß einen Schrei aus und versuchte, mit den Händen ihre Blöße zu bedecken. Aber ihr Peiniger lachte nur, trat mit einem Schritt hinter sie und hielt ihre Arme mit nur einer Hand auf dem Rücken zusammen. In hämischem Ton fuhr er fort, ihren kräftigen Körper anzupreisen, wie ein Viehhändler auf dem Markt eine gut gewachsene Kuh anbieten würde. Robins Augen füllten sich mit Tränen der Wut, als sie hörte, wie er als erstes Gebot zwanzig Dinar einforderte.
Harun neben ihr sagte irgendetwas, aber sie verstand die Worte nicht mehr. Für einen Moment schien sich alles um sie herum zu drehen. Ihre Knie zitterten und das Herz hämmerte ihr bis in den Hals. Die Welt ringsum schien zu erlöschen, und es gab nur noch diesen winzigen Hof voller gieriger alter Männer, die das hilflose Mädchen auf dem Podest anstarrten. Erschüttert und von einer hilflosen Wut erfüllt, die fast körperlich schmerzte, musste sie mit ansehen, wie verschiedene Kaufinteressenten auf die Bühne hinaufstiegen und die junge Frau eingehend untersuchten. Sie zwangen ihre Lippen mit dem Daumen auseinander, um ihre Zähne zu begutachten, kniffen in Oberarme und Schenkel, um die Festigkeit ihrer Muskeln zu prüfen, und schließlich brachten die Wachen unterschiedlich schwere Säcke und gefüllte Wasserkrüge herbei, die sie hochheben musste, um ihre Kraft unter Beweis zu stellen.
Robin war unbeschreiblich angewidert von der Szene und sie machte ihr mit jedem Moment mehr Angst. Vor ihrem inneren Auge erschien Omars lächelndes Gesicht, aber sie holt e die Worte, die er ihr bei seinem letzten Besuch gesagt hatte. In zwei Tagen - oder vielleicht schon morgen - würde sie vielleicht selbst dort unten stehen, um gedemütigt zu werden und sich von feisten alten Männern begrapschen zu lassen.
Aber das würde nicht geschehen. Sie würde fliehen, noch heute, und wenn es ihr nicht gelang, dann würde sie sich eher das Leben nehmen, bevor sie zuließ, dass man auch sie auf das Holzgerüst dort unten zerrte.
Harun legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. Robin fuhr erschrocken zusammen, und für einen Moment musste sie gegen den Impuls ankämpfen, herumzufahren und seine Hand beiseite zu schlagen. Dann wurde ihr bewusst, dass Harun sie plötzlich auf eine völlig andere Art berührte als zuvor. Er wollte sie trösten, wollte durch diese Geste ausdrücken, was Worte nicht sagen konnten.
»Warum tust du dir das an, Kind?«, fragte Harun. »Komm vom Fenster weg. Quäle dich nicht.«
Robin drehte sich nun doch herum und streifte seine Hand ab, aber sie tat es langsam, fast sanft, und Harun nahm ihr die Bewegung nicht übel. In seinen Augen erschien für einen kurzen Moment ein ungeahnter Ausdruck von Wärme.
Trotzdem zitterte ihre Stimme vor unterdrücktem Zorn und Schmerz, als sie antwortete: »Warum nicht? Schließlich werde ich spätestens morgen wohl selbst dort unten stehen, nicht wahr?«
»Unsinn!«, widersprach Harun. Er machte eine Kopfbewegung zum Fenster. »Das da ist für einfache Sklaven. Du bist…«
»… ein wertvolleres Gut?«, unterbrach ihn Robin zornig. Plötzlich konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten, aber es waren nicht Tränen des Schmerzes, sondern der Wut. »Wahrscheinlich bin ich zu kostbar, um mich zu verärgern, wie? Was habt Ihr mit mir vor? Wollt Ihr mich auf ein Podest aus Gold stellen und mein Verkäufer wird eine mit Diamanten besetzte Peitsche tragen?« Ihre Stimme war voller Bitterkeit, aber Harun zeigte sich von ihren Worten nicht beeindruckt. Er schüttelte den Kopf und antwortete mit milder, väterlich klingender Stimme:
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