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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Tür!«
    Sie überzeugte sich nicht davon, dass die Männer ihrer Aufforderung nachkamen, sondern ließ sich, so schnell sie konnte, in den Hof hinabgleiten. »Schafft die Balken auf das Podest!«, schrie sie, während sie mit einer hastigen Bewegung herumfuhr und auf die andere Seite des Tores deutete. »Wir brauchen sie als Brücke zwischen Mauerkrone und Aquädukt!«
     
    Die meisten Fischer starrten sie nur verständnislos an, aber der Mann, der ihr gerade geholfen hatte, packte sich ganz alleine einen der Balken und stolperte mit ihm vorwärts und zwei oder drei seiner Kameraden taten es ihm nach. Mit einem Blick zur Tür überzeugte sich Robin, dass sie mittlerweile geschlossen und der massive Riegel vorgelegt worden war. Dass Omar sein Haus in eine Festung verwandelt hatte, die vor allem dazu gedacht war, ihre Bewohner drinnen zu halten, verschaffte ihnen jetzt vielleicht eine letzte Gnadenfrist.
    »Zum Aquädukt?«, fragte Saila. Sie blickte sie an, als zweifelte sie an ihrem Verstand. »Aber was…?«
    »Auf der Straße sitzen wir in der Falle«, unterbrach sie Robin hastig. »Wenn sie die Tür nicht aufbrechen, dann kommen sie über den hinteren Hof hinaus. Schnell!«
    Mittlerweile hatten die Sklaven gehorsam das knappe Dutzend Balken zur anderen Seite des Hofes geschafft und die längsten davon benutzt, um eine - erschreckend steile - Rampe zur Mauerkrone hinaufzubauen. Zwei oder drei von ihnen befanden sich schon auf der Mauer und winkten den anderen zu, ihnen die übrig gebliebenen Balken anzugeben. Gleichzeitig verbarrikadierten einige Männer die Tür zum Haus mit Bänken und losgerissenen Brettern aus dem Podest.
    Und keinen Moment zu früh, wie es aussah. Die schwere Tür erzitterte unter einem harten Schlag und drinnen wurde ein zorniges Brüllen laut. Immer wütendere und heftigere Säbel- und Faustschläge trafen die Tür. Auf dem Hof begannen jetzt auch noch andere Kinder vor Angst zu weinen. Robin begriff, dass ihnen nicht mehr viel Zeit blieb, wenn ihre Flucht nicht schon im Hof enden sollte.
    Robin eilte zu den Männern, die mittlerweile in aller Hast dabei waren, die Balken auf die Mauerkrone hinauf zuhieven. Der Versuch, eine Brücke zum Aquädukt hinüberzubauen, erwies sich als weitaus schwieriger, als sie erwartet hatte. Der erste Balken war zu kurz und stürzte mit gewaltigem Getöse die Gasse hinab. Auch den nächsten, ein gutes Stück längeren Balken hätten die Männer um ein Haar fallen lassen, doch nach endlosen Augenblicken des Hinundhermanövrierens schlug das Holz mit einem dumpfen Poltern auf den oberen Rand des Aquädukts.
    Als einer der Männer sich unverzüglich daran machen wollte, mit ausgebreiteten Armen über den kaum eine Hand breiten Steg zu balancieren, packte Robin ihn an der Schulter und hielt ihn zurück. Ihr selbst und wahrscheinlich noch einer Hand voll anderer Sklaven würde es gelingen, auf diese Weise über die Gasse zu entkommen. Für die meisten jedoch konnte ein solcher Versuch nur mit einem Sturz enden.
    Sie warf einen raschen Blick über die Schulter. Das Holz hielt dem wütenden Angriff von der anderen Seite immer noch Stand, und die Bänke, die die Sklaven hinter der Tür verkeilt hatten, verliehen der Barrikade zusätzliche Festigkeit. Hinter fast allen Fenstern im Hause brannte nun Licht; die Tatsache, dass sie mit einer einzigen Ausnahme allesamt vergittert waren, würde nun vielleicht ihre Rettung bedeuten.
    »Wir brauchen noch mehr Balken«, sagte Robin hastig. »Mindestens zwei, besser drei.«
    Es kam ihr in diesem Moment gar nicht in den Sinn, dass die Männer irgendetwas anderes tun könnten, als ihr zu gehorchen. Sie war nicht mehr das Christenmädchen, nicht mehr die Sklavin, die Omar als Spielzeug für irgendeinen reichen Kaufmann oder Sultan auserkoren hatte, sondern wieder Bruder Robin, der Tempelritter, den man auch gelehrt hatte, ganz selbstverständlich wie ein Anführer aufzutreten, und dem niemand widersprach. Vielleicht übertrug sich etwas von dieser Selbstverständlichkeit auch auf ihre Stimme, denn zwei oder drei der Sklaven sahen sie zwar verwirrt und unentschlossen an, dann aber beeilten sie sich, ihrem Befehl nachzukommen.
    Auch in den Zimmern im oberen Geschoss des Hauses wurde es nun hell. Robin sah, wie Nemeth neben ihr erschrocken zusammenfuhr. Sie hob den Blick und sah in eines jener Fenster, hinter denen sie einen Großteil der vergangenen Woche verbracht hatte, um sehnsüchtig auf die so nahe und doch unerreichbare Stadt

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