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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu blicken. Flackerndes rotes Fackellicht erfüllte nun den Raum, und Omar Khalid, nur in ein schmuckloses weißes Gewand gekleidet, stand hoch aufgerichtet dort oben am Fenster und starrte zu ihnen herab. Das rote Licht, noch verstärkt durch Robins Angst, verlieh seinem Gesicht etwas Dämonisches. In diesem Moment wurde sich Robin bewusst, dass sie von diesem Mann keine Gnade mehr zu erwarten hatte.
    Eine zweite Gestalt erschien neben Omar, und jetzt war es Robin, deren Gesicht sich vor Zorn verdüsterte. Es war keiner von Omars Kriegern, sondern niemand anders als Mustafa, Sailas Mann. Gegen ihren Instinkt hatte sie sich bisher noch immer an die Hoffnung geklammert, dass nicht er es gewesen war, der sie verraten hatte, und sei es nur, um seine Frau und Tochter vor dem sicheren Tod zu bewahren. Aber er hatte die Gunst der Stunde erkannt und ohne Rücksicht auf seine eigene kleine Familie genutzt!
    Noch während sie versuchte, mit dem kalten Entsetzen fertig zu werden, das diese Erkenntnis in ihr auslöste, erschien ein zweiter Mann neben Omar am Fenster. Es war der schwarz gekleidete Riese, der Robin den Großteil der zurückliegenden Woche bewacht hatte. Statt Schild und Säbel hielt er nun einen kurzen, geschwungenen Bogen in Händen, mit dem er ohne zu zögern auf einen der Männer oben auf der Mauerkrone anlegte.
    Als er den Pfeil von der Sehne schnellen ließ, schlug Omar seine Hand nach unten. Statt sein wehrloses Opfer zu treffen, prallte der Pfeil harmlos gegen die Mauer und zerbrach. Der Krieger legte kein zweites Geschoss auf die Sehne, sondern zog sich hastig zurück, als Omar eine befehlende Geste machte. Robin glaubte jedoch nicht einen Augenblick daran, dass der Sklavenhändler aus Mitleid oder Rücksicht gehandelt hatte. Vielmehr war Omar wohl daran gelegen, seinen Besitz möglichst unbeschadet wieder zurückzubekommen. Doch ganz gleich aus welchen Gründen, er hatte ihnen eine weitere, vielleicht die entscheidende Atempause verschafft. Robin blickte zur Mauerkrone hinauf und sah, dass die Sklaven mit ihren Vorbereitungen fast fertig waren. Genau in diesem Moment legten sie den letzten, vierten Balken an. Das Geräusch, mit dem er auf dem Stein aufschlug, war noch nicht ganz verklungen, da machte sich der Erste bereits mit ausgebreiteten Armen und wie ein Seiltänzer auf einem Pfingstmarkt balancierend auf den Weg zur gegenüberliegenden Seite.
    »Schnell jetzt!«, rief Robin. »Die Kinder und Alten zuerst!«
    Die Männer oben auf der Mauer mussten ihre Worte gehört haben, aber diesmal dachte niemand daran, sich an ihren Befehl zu halten. Schon machte sich der Nächste auf den Weg, dann ein Dritter, Vierter, und wäre die Kletterpartie nach oben nicht so mühsam und zeitraubend gewesen, wäre auf der Mauerkrone zweifellos ein Handgemenge entstanden.
    Hinter ihr erscholl ein dumpfer Aufprall, gefolgt von einem Schrei und den Geräuschen eines beginnenden Kampfes. Robin fuhr herum. Das Fenster, hinter dem Omar stand, lag gute vier Meter über dem Hof, aber dennoch hatte einer seiner Krieger offensichtlich den Sprung in die Tiefe gewagt. Doch das bezahlte er mit dem Leben. Auf dem Hof befanden sich noch immer mehr als zwei Dutzend Sklaven, und einige davon warfen sich auf den Krieger, noch bevor dieser auch nur dazu kam, sich aufzurappeln oder nach seiner Waffe zu greifen. Robin musste kein zweites Mal hinsehen, um zu begreifen, dass ihn das Schicksal seiner beiden Kameraden ereilen würde.
    Auch Omar, der noch immer wie zur Salzsäule erstarrt oben am Fenster stand und hasserfüllt auf sie herabblickte, schien dies begriffen zu haben, denn als ein weiterer Krieger an seine Seite trat und den Sprung in die Tiefe wagen wollte, schüttelte er nur den Kopf.
    Robin wusste, dass sie damit keineswegs gerettet waren. Omar würde wohl kaum enttäuscht mit den Schultern zucken und zur Tagesordnung übergehen, um den Verlust am nächsten Tag als unerwartete Ausgabe in seinen Büchern zu verzeichnen. Die Männer würden jetzt Seile holen und etliche von ihnen waren vermutlich schon auf dem Weg, um das Haus durch den hinteren Ausgang zu verlassen und ihnen den Weg abzuschneiden. Sie hetzte zum Tor zurück. Wie durch ein Wunder fand sie auf Anhieb den einzigen Schlüssel, der in das schwere Vorhängeschloss passte, und schob ihn in das Schlüsselloch. Er rührte sich jetzt so wenig wie zuvor, aber als Robin ihn mit beiden Händen ergriff, absichtlich verkantete und sich dann mit dem ganzen Körpergewicht dagegen

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