Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
hiervon.«
    Während sich der Hof hinter ihr mit Menschen füllte, die sich trotz aller Mühe nicht annähernd so leise verhielten, wie Robin gehofft hatte, probierte sie hastig einen Schlüssel nach dem anderen aus. Keiner passte. Sie schaffte es gerade, den Bart eines einzigen Schlüssels in das schwere Vorhängeschloss zu schieben, das die Kette zusammenhielt, aber so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte ihn nicht bewegen.
    »Dann steigen wir über die Mauer«, murmelte Saila.
    Robin warf ihr einen mutlosen Blick zu, bevor sie mit wenig Zuversicht die Wand aus gebrannten Ziegeln musterte, die den Hof an drei Seiten umschloss. Sie war gut drei Meter hoch und so glatt verputzt, dass nicht einmal eine Fliege daran Halt gefunden hätte. Wer immer sie erbaut hatte, musste mit Fluchtversuchen gerechnet haben. Als sie ihr Mut endgültig verlassen wollte, fiel ihr Blick auf das Podest, und plötzlich erinnerte sie sich an etwas, das sie am Morgen bemerkt hatte - an die gut vier Meter langen, gehobelten Balken, die hinter ihm an der Wand lehnten.
    »Dort!« Sie deutete aufgeregt auf das Podest. »Die Balken! Schnell!«
    Ohne zu zögern lief sie los und griff nach einem Balken. Um ein Haar wäre er ihr sofort wieder aus den Händen gerutscht, denn er war viel schwerer, als sie geglaubt hatte; doch einer der Männer sprang im letzten Moment hinzu und fing ihn auf, bevor er polternd zu Boden fallen und der Lärm sie alle verraten konnte. Sie brauchten kein Wort zu wechseln, um zu wissen, was zu tun war.
    In aller Eile schleppten sie den Balken zur Mauer und lehnten ihn so dagegen, dass er als Kletterhilfe zu gebrachen war. Die Frage war nur, wer außer ihr sowie ein paar halbwegs bei Kräften gebliebenen Sklaven es schaffen würde… Sie kam nicht dazu, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Denn jetzt geschah etwas, das sie die ganze Zeit über befürchtet hatte.
    Eines der Kinder begann zu weinen. Seine Mutter versuchte sofort, es zu beruhigen, aber sie erreichte damit genau das Gegenteil: Das Jammern und Wehklagen steigerte sich noch.
    Robin war sofort klar, dass es jetzt um alles oder nichts ging. Ohne zu zögern kletterte sie an dem schräg gestellten Balken nach oben. Die Angst schien ihr Flügel zu verleihen, denn schon nach wenigen Augenblicken erreichte sie die Mauerkrone - und zuckte erneut zusammen.
    Die Mauer war mit in harten Lehm gedrückten Tonscherben gespickt. Doch sie war nicht gewillt, sich von diesem weiteren Hindernis aufhalten zu lassen. Mit zitternden Händen streifte sie ihren Mantel ab und legte ihn über die verwitterten und gottlob ohnehin nicht mehr allzu scharfen Scherben. Sie konnte nur hoffen, dass er die Kinder vor Hand- und Fußverletzungen bewahren würde.
    Ein viel größeres Hindernis war die Mauer selber, denn ein Sprung auf die Straße aus dieser Höhe war alles anders als ungefährlich. Salim hatte sie gelehrt, wie man mit federnden Knien und einer Rolle über die Schulter einen solchen Sprung dämpfen konnte. Doch die meisten der entkräfteten und ausgezehrten Sklaven würden den Aufprall kaum unverletzt überstehen.
    Die Gasse unter der Mauer lag in vollkommener Dunkelheit. Hinter den meisten Fenstern der angrenzenden Häuser brannte kein Licht. Es gab etliche Türen, doch von denen würde sich für sie gewiss keine öffnen, um ihnen Zuflucht zu gewähren. Sie brauchten eine Leiter, ein Seil, irgendetwas, woran sie hinabklettern konnten.
    Oder etwas, wo sie hinaufsteigen konnten.
    Robins Blick blieb für einen Moment am schwarzen Schattenriss des Aquädukts hängen, das sich jenseits des Tores auf der anderen Seite der Gasse erhob. Es war nur wenig höher als das Dach des Gebäudes, neben dem es vorbeiführte. Robin hatte lange genug am Fenster ihres Zimmers gestanden, um sich jedes noch so kleine Detail der Dachlandschaft ringsumher eingeprägt zu haben. Sie wusste, dass das Aquädukt nach wenigen Metern einen scharfen Knick machte und in einen anderen, ihr unbekannten Teil der Stadt führte.
    Irgendwo im Haus erscholl ein Schrei.
    Robin fuhr entsetzt zusammen und klammerte sich für einen winzigen Moment wider besseres Wissen an die Hoffnung, dass es weder Mustafa war, der Zeter und Mordio brüllte, um Omars Aufmerksam-
    keit auf sie zu lenken, noch die Wachablösung, die über die Leiche ihres toten Kameraden gestolpert war. Gleich darauf jedoch ertönte ein weiteres aufgeregtes Brüllen, dann das Geräusch schwerer, hastiger Schritte.
    »Die Tür!«, schrie Robin. »Verriegelt die

Weitere Kostenlose Bücher