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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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tun.«
    Und noch ein Versprechen, das sie nicht würde halten können. Robin musste sich plötzlich mit aller Macht beherrschen, um nicht selbst in Tränen auszubrechen. Sie fragte sich, wie viele der Männer und Frauen, die sie zu diesem irrsinnigen Fluchtversuch überredet hatte, ihren Mut bisher schon mit dem Leben bezahlt hatten, und wie viele es noch werden würden, bis diese Nacht vorüber war.
    »Warum nicht?«, fragte Nemeth.
    »Weil er weiß, dass ich ihn dann töten würde«, sagte Robin. Sie hatte das gar nicht sagen wollen. Sie wollte in Gegenwart dieses Kindes nicht weiter von Gewalt und Tod und Sterben reden. Aber die Worte waren fast ohne ihr Zutun über ihre Lippen gekommen, und es lag eine solche Entschlossenheit darin, dass selbst Nemeth sie spüren musste, denn sie stellte keine weitere Frage mehr und hörte sogar auf zu weinen.
    »Wir müssen jetzt ganz leise sein«, sagte Robin. »Sie werden gleich hier sein, um nach uns zu suchen. Bleib hier. Ganz egal, was geschieht, gib keinen Laut von dir, bis ich zurück bin. Versprichst du mir das?«
    Nemeth starrte sie nur an und Robin deutete ihr Schweigen als Zustimmung. Sie sah erneut zum Aquädukt hoch, dann ließ sie ihren Blick aufmerksam über das flache Dach des zweigeschossigen Gebäudes schweifen. Sie musste nicht lange suchen: eine gut einen Meter im Quadrat messende, hölzerne Klappe mit einem schweren eisernen Ring, um sie aufzuziehen. Darunter musste eine Treppe ins Haus hinabführen. Robin hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie dort erwarten würde, aber bisher war es unter ihnen still geblieben. Niemand schien das Geräusch gehört zu haben, mit dem Nemeth und sie auf dem Dach aufgeprallt waren.
    Sie wollte sich gerade in Bewegung setzen, als sie über sich verräterische Geräusche wahrnahm: hastige Schritte, die durch das Wasser des Aquädukts platschten. Erschrocken prallte sie zurück, presste sich neben Nemeth mit dem Rücken gegen die Wand und blickte mit angehaltenem Atem nach oben.
    Das Mondlicht warf die Schatten von zwei, drei und schließlich vier Männern vor ihnen auf das Dach, die in der Wasserrinne des Aquädukts rasch näher kamen. Ihr Herz schien mitten im Schlag auszusetzen, als sie zu sehen glaubte, wie eine der Gestalten im Schritt verhielt und zu ihnen herabsah. Aber es war nur ein böser Streich, den ihr ihre überreizten Nerven spielten. Die Männer stürmten ohne innezuhalten weiter und folgten damit wohl der falschen Spur, die sie gelegt hatte.
    Robin wagte kaum zu hoffen, dass der simple Trick mit der vorgetäuschten Wasserspur Erfolg haben könnte, aber sie wurde eines Besseren belehrt. Am Dach des Hauses angelangt, auf das sie Wasser verspritzt hatten, wechselten die Männer ein paar hastige Worte und sprangen dann ohne zu zögern in die Tiefe. Einen kurzen Moment lang konnte Robin noch ihre Silhouetten erkennen, dann hatten sie eine Klapptür gefunden und verschwanden einer nach dem anderen im Haus.
    »Schnell jetzt!« Robin war mit zwei weit ausgreifenden Schritten bei der Dachluke, packte mit beiden Händen nach dem eisernen Ring und zerrte ihn in die Höhe. Die Angeln quietschten hörbar und in der vollkommenen Dunkelheit unter der Dachluke gaukelten ihr ihre Nerven Bewegung und Lärm vor. Doch es war noch immer still.
    Aber das würde nicht lange so bleiben. Ihre Verfolger würden schon sehr bald begreifen, dass ihre Beute sie an der Nase herumgeführt hatte. Und spätestens dann würden sie ein Haus nach dem anderen durchsuchen.
    Robin verwarf den Gedanken, sich in dem Gebäude unter ihnen zu verstecken, ebenso rasch wieder, wie er ihr gekommen war. Sie hatten nicht mehr als eine weitere, winzige Gnadenfrist gewonnen. Aber vielleicht ergaben viele kleine Chancen ja eine große.
    Sie bedeutete Nemeth mit einer Handbewegung, ihr ohne ein Wort zu folgen, dann wandte sie sich um und tastete mit dem Fuß in die Dunkelheit unter sich hinein. Es gab keine Treppe, sondern nur eine Leiter, die hörbar unter Robins Gewicht ächzte. Ohne auf verräterische Geräusche zu achten, stieg Robin die unsichtbaren Sprossen hinab, trat einen Schritt zurück und sah ungeduldig zu Nemeth hoch. Das Mädchen schien sich davor zu fürchten, ihr in die Dunkelheit hinab zu folgen.
    »Bitte, beeil dich!«, flüsterte Robin. »Wir müssen hier weg!«
    Hinter ihr polterte etwas. Robin fuhr erschrocken herum und riss die Augen auf. In der fast vollkommenen Dunkelheit konnte sie jedoch rein gar nichts erkennen. Einen Moment später

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