Der Ring des Sarazenen
niedrige Hocker, eine offene Feuerstelle und zwei große Truhen, in denen die Hausbewohner wohl ihre persönliche Habe aufbewahrten. An der Wand direkt gegenüber des Eingangs hingen ein mit Leder bezogener Rundschild und ein Krummsäbel in einer Scheide, die mit rotem Stoff bespannt war.
Robin starrte Schild und Säbel einige Sekunden lang nachdenklich an, dann bedeutete sie Nemeth mit einer Geste, dort stehen zu bleiben, wo sie war, und durchquerte mit schnellen Schritten den Raum, um eine der beiden großen Truhen zu öffnen.
»Was tust du?«, fragte Nemeth. Vielleicht hielt sie sie jetzt zu allem Überfluss auch noch für eine Diebin, dachte Robin. Und damit würde sie der Wahrheit sogar ziemlich nahe kommen.
Die Truhe war mit Töpfen und Geschirr gefüllt, dazu mit einigen kleineren metallbeschlagenen Kästchen, die möglicherweise etwas von Wert enthielten, aber bestimmt nicht das, was Robin jetzt suchte. Ohne den Deckel wieder zu schließen, trat sie an die zweite heran, öffnete auch sie und atmete erleichtert auf.
»Was hast du vor?«, fragte Nemeth. Sie lief ein paar Schritte in Richtung Tür, machte dann mitten in der Bewegung kehrt und kam zu Robin zurück. »Was tust du da?«
»Sie suchen ein Mädchen und eine Frau in einem schwarzen Mantel«, antwortete Robin rasch. »Wenn wir so auf die Straße gehen, fangen sie uns schneller, als ich meinen Namen buchstabieren kann.« Nemeth starrte sie nur verständnislos an und ihr Gesichtsausdruck wurde noch fassungsloser, als sie sah, wie Robin ihren Umhang zu Boden warf und stattdessen in einen schäbigen grauen Kaftan schlüpfte, den sie in der Truhe gefunden hatte. Er war ihr ein gutes Stück zu groß und vor allen Dingen viel zu weit, aber bei dem Chaos, das mittlerweile draußen herrschte, würde das vermutlich niemandem auffallen. Mit fliegenden Fingern grub sie in der Truhe, fand
endlich einen gut zwei Meter langen Stoffstreifen, der irgendwann einmal weiß gewesen sein mochte, und versuchte, ihn sich um den Kopf zu wickeln.
»Was tust du?«, fragte Nemeth erneut.
»Die halbe Stadt sucht wahrscheinlich schon nach mir«, erwiderte Robin. »Einen Mann, der seinen halbwüchsigen Sohn in Sicherheit bringt, werden sie vielleicht nicht so genau ansehen.«
»Du willst dich als Ma n n verkleiden?«, keuchte Nemeth.
»Nicht nur mich«, antwortete Robin knapp. Während sie sich damit abmühte, den Schal so um ihren Kopf zu wickeln, dass er einen halbwegs passablen Turban abgab, hätte es nicht erst Nemeths vielsagenden Stirnrunzelns bedurft, um ihr klar zu machen, wie lächerlich das Ergebnis aussehen musste. Schließlich schüttelte das Mädchen den Kopf und forderte Robin mit einer Geste auf, in die Hocke zu gehen.
»Du kannst einen Turban binden?«
»Ich habe meinem Vater oft genug dabei zugesehen«, antwortete Nemeth. »Es ist ganz leicht.«
»Alles ist leicht, wenn man es kann«, knurrte Robin. Behutsam tastete sie mit den Händen nach dem Turban. Was sie ertastete, fühlte sich gut an. »Danke«, sagte sie. »Nur einen Moment noch.«
Rasch eilte sie zur anderen Seite des Raumes, nahm Schild und Säbel von der Wand und schob den linken Arm durch die Halteschlaufen des Schildes. Der Säbel fühlte sich sonderbar in ihrer Hand an, viel zu leicht, um wirklich eine Waffe zu sein, und für ihren Geschmack schlecht ausbalanciert. Und in diesem Moment geschah etwas, das ihr einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Kaum hatte sie die Waffen angelegt, da spürte sie, wie sie ein neues Selbstbewusstsein erfüllte. Von einem Herzschlag auf den anderen schien sie nicht mehr die Sklavin Robin zu sein, sondern der Tempelritter Robin. Und auch wenn sie wusste, wie trügerisch dieses Gefühl sein mochte - es tat gut, sich wenigstens für einen Moment einbilden zu können, nicht mehr auf der Seite der Verlierer zu stehen.
Über ihnen im Haus erscholl ein dumpfes Poltern und wieder das spitze Schreien der Frau; die Laute rissen Robin in die Wirklichkeit zurück. Sie eilte zur Tür, winkte Nemeth herbei und streckte gleichzeitig die andere Hand nach dem Griff aus.
»Robin!«, sagte Nehmet leise.
Sie hielt inne und drehte sich ungeduldig zu dem Mädchen herum:
»Was ist denn noch?«
Nemeth schüttelte den Kopf und hob die Hand ans Gesicht. »Dein Schleier.«
Ein jäher Schrecken durchfuhr Robin, als sie die Hand hob und feststellte, dass sie tatsächlich vergessen hatte, den schwarzen Schleier abzunehmen. In Nemeths Augen blitzte es kurz und
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