Der Ring des Sarazenen
Sorge zu sein, als er zugeben wollte.
Da Robin als Letzte hereingekommen war, konnte sie jetzt als Erste den Raum verlassen und die kurze Treppe hinaufeilen. Draußen dämmerte es bereits, und auf dem überfüllten Deck herrschte hektische, wenn auch reichlich ziellose Aktivität. Robin versuchte nach Süden zu spähen, um einen Blick auf die beiden Schiffe zu erhaschen, von denen Horace gesprochen hatte - mit dem einzigen Ergebnis allerdings, dass sie gegen einen Matrosen prallte und um ein Haar von den nachfolgenden Männern über den Haufen gerannt worden wäre. Mehr von Abbé und den anderen geschoben als aus freiem Willen, stolperte sie über das Deck und die Treppe zum Achterkastell hinauf und auf die schmale Planke zu, die zwei Seeleute gerade wieder über die Reling zur Sankt Christophorus hinüberschoben.
Die anderen Ritter wechselten leichtfüßig auf ihr Schiff hinüber, und Robin blieb nichts anders übrig, als es ihnen gleichzutun. Mein Gott, wie sie die Seefahrt hasste! Voller Widerwillen und entsprechend unsicher setzte sie einen Fuß auf die Planke. Eine Welle hob die Schiffe schwankend an, und einen Augenblick lang fürchtete sie, die Balance zu verlieren und zwischen die Schiffe zu stürzen.
Doch dann gab sie sich einen Ruck und eilte mit wenigen Schritten und ohne hinunterzusehen auf die andere Seite. Als sie endlich aufs Deck sprang, hätte sie vor lauter Erleichterung beinahe laut aufgeschrien.
Doch ihre Freude war verfrüht. Die Sankt Christophorus legte sich auf die Seite, wodurch sie ihr gerade wiedergewonnenes Gleichgewicht verlor und hilflos mit den Armen rudernd davonschlitterte. Ein Matrose sprang ihr lachend aus dem Weg und gab dabei den Blick auf Dariusz frei, der sich umdrehte und ihr finster entgegenstarrte.
Das hatte ihr gerade noch gefehlt! Ein Zusammenprall schien unvermeidlich, als sich im buchstäblich allerletzten Augenblick eine Hand um ihren Arm schloss und sie mit eisernem Griff festhielt. Ein dunkelhäutiges Gesicht blickte besorgt auf sie herab - oder vielmehr der schmale Ausschnitt über Nasenwurzel und Augen, der zwischen Turban und schwarzblauem Gesichtstuch erkennbar war. Stirnrunzelnd wandte sich Dariusz ab und war mit ein paar Schritten ihrem Blickfeld entschwunden.
»Danke«, seufzte Robin erleichtert. »Fast wäre ich in meinen Busenfreund hineingeschlittert. Du hast mich vor dem schlimmsten Zusammenstoß meines Lebens bewahrt.«
»Stets zu Diensten«, antwortete Salim in seiner gutmütig herablassenden Art, die sie ebenso an ihm liebte, wie sie sie oft genug in Rage brachte. Er ließ ihren Arm nicht los, sondern hielt sie im Gegenteil so fest, dass es beinahe wehtat.
»Das ist ja auch deine Aufgabe«, antwortete sie spitz. »Ich meine: Immerhin bist du mein Leibwächter, oder?«
»Und das mit großem Vergnügen«, bestätigte Salim anzüglich.
»Tatsächlich habe ich niemals lieber auf einen Leib aufgepasst als auf deinen.«
»Und wie es aussieht, wirst du dazu bald reichlich Gelegenheit bekommen.« Bruder Abbé trat stirnrunzelnd zwischen sie und brachte Salim so dazu, Robins Arm loszulassen. Er lächelte, als habe er gerade einen besonders gelungenen Scherz zum Besten gegeben, aber als er weitersprach, senkte er die Stimme beinahe zu einem Flüstern, und in seinen Augen erschien ein warnender Ausdruck.
»Sprecht nicht so laut, Dummköpfe«, sagte er. »Wir sind nicht allein. Dariusz und ein paar der anderen sind ohnehin schon misstrauisch.«
»Was ist mit diesen Schiffen?«, fragte Robin rasch, bevor Salim widersprechen und Abbé damit womöglich noch weiter reizen konnte. »Horace schien über ihr Auftauchen äußerst besorgt zu sein.«
»Mit Recht«, antwortete Abbé. »Das Meer ist zu groß, als dass ich wirklich an einen Zufall glauben könnte. Und wenn es nicht unsere Schiffe sind…« Er hob die Schultern und ließ den Satz unbeendet, was den Ernst der Lage noch unterstrich. Nach einem abermaligen Seufzen wandte er sich ab und starrte eine Weile wortlos und sehr konzentriert nach Süden, in die Richtung, in der die beiden Schiffe gesichtet worden waren. Robin konnte dort nichts Außergewöhnliches ausmachen, aber das bedeutete nichts - das Tageslicht schwand rasch, und eine Woche Seekrankheit hatten ihre Sehkraft auch nicht unbedingt gestärkt.
»Ich kann nichts erkennen«, seufzte Abbé schließlich. »Ich will nicht mit dem Schicksal hadern, aber manchmal wünschte ich mir doch, zwanzig Jahre jünger zu sein und noch bessere Augen zu
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