Der Ring des Sarazenen
nur tief ins Mauerwerk eingelassene Schießscharten befanden.
»Ich verstehe immer weniger, was unser Herr an dir findet«, sagte Aisha kopfschüttelnd, als Robin an ihr vorbeiging. »Du hast zwar keine nennenswerten Höcker, aber dafür stinkst du wie ein Kamel.« Ein abfälliges Lächeln huschte ihr über das Gesicht. »Ach ja, ich vergaß ja, wo du aufgewachsen bist. In eurem so genannten Ritterorden gilt es ja als Tugend, ungewaschen zu sein und zu stinken, nicht wahr?«
Robin schluckte die Antwort herunter, zu der sie schon angesetzt hatte. Aishas Spott war ihr umso unverständlicher, als sich die Araberin gerade noch so mütterlich besorgt gezeigt hatte. Was wollte sie nur damit erreichen?
»Worauf wartest du?«, fragte Aisha ungeduldig, als sie sich nicht rührte, sondern sie nur wortlos ansah.
»Was soll ich denn hier?«, fragte Robin. »Ist das euer… Harem?«
Aisha sah sie einen kurzen Moment lang verblüfft an, dann begann sie schallend zu lachen. Ganz offensichtlich hatte Robin eine ziemlich dumme Frage gestellt.
»Nein«, sagte sie. »Jemand in deinem Zustand käme nicht einmal in die Nähe des Harems.« Sie schüttelte den Kopf. »Ginge es nach mir, wärest du überhaupt nicht hier, gleich ob gewaschen oder ungewaschen. Aber es steht mir nicht zu, die Entscheidungen meines Herrn in Zweifel zu ziehen.« Sie seufzte, und ihre Stimme wurde fast wehleidig. »Mir obliegt nur die Aufgabe, dich in einen halbwegs vorzeigbaren Zustand zu versetzen. Auch wenn ich nicht weiß, warum Allah mich einer solch schweren Prüfung unterzieht, denn ich fürchte, ich werde daran scheitern.«
Robin war inzwischen zu dem Entschluss gekommen, dass es nicht lohnte, auf Aishas Sticheleien einzugehen. Die Araberin spielte eine Rolle, das hatte sie mittlerweile begriffen. Ihr war nur noch nicht klar, wann sie ihr wahres Gesicht offenbart hatte: Vorhin, als sie sie wie eine Mutter ihr krankes Kind in den Arm genommen und zärtlich ihr Gesicht abgetupft hatte, oder jetzt, als es ihr so offensichtliche Freude bereitete, an ihr herumzumäkeln. Statt zu antworten und Aisha einmal mehr die Gelegenheit zu einer Stichelei zu geben, machte sie einen großen Schritt an ihr vorbei und ließ den Blick durch den Raum schweifen.
Im Gegensatz zu seiner erstaunlichen Größe fehlte nahezu jegliches Mobiliar. Den Boden bedeckte ein kunstvolles Mosaik und die dünnen, prachtvoll verzierten Vorhänge, die in wolkigen Bögen unter der Decke schwebten, wären in ihrer Heimat ein Vermögen wert gewesen. Dafür fehlten allerdings Bilder, Teppiche oder anderes Schmuckwerk an den Wänden; sie waren im schlichten sandfarbenen Ton des Gesteins belassen worden, als wollten sie den Betrachter nicht vergessen lassen, dass er sich in einer uneinnehmbaren Festung befand.
So war es denn auch kein Wunder, dass sie weder eine Fluchtmöglichkeit entdeckte noch irgendetwas, was sich als Waffe hätte benutzen lassen. Ihr Blick glitt suchend über einen Tisch und zwei niedrige, lehnenlose Hocker, die vor einem der großen Fenster standen, und blieb schließlich auf etwas haften, was wie eine große steinerne Pferdetränke aussah. Was ein solch riesiger Steintrog im vierten oder fünften Stock für einen Sinn machen sollte, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Das einzig Rätselhafte, was ihr sonst noch auffiel, war ein dichter, bauschiger Vorhang, der einen Bereich an der Südseite abtrennte.
Als sie jenseits des Vorhangs ein Geräusch wahrnahm, wäre sie am liebsten gleich dort hingeeilt, um ihm sein Geheimnis zu entreißen - aber sie ahnte, dass Aisha das nicht gestatten würde. Sie hatte durchaus nicht vergessen, wie fest Haruns Leibsklavin zuzupacken verstand; wahrscheinlich hatte sie trotz aller gegenteiligen Beteuerungen über die Rolle der Frauen in diesem Land eine ähnliche Kampfausbildung genossen wie die Schatten, die das Leben des Sheiks mit ihrem eigenen zu schützen bereit waren.
Statt ihre Neugier zu befriedigen, trat sie mit schnellen Schritten an eines der Fenster und blickte hinaus. Was sie sah, ließ sie vor Erstaunen den Atem anhalten. Nach dem wehrhaften Äußeren Masyafs hatte sie erwartet, auch in seinem Inneren etwas Ähnliches zu erblicken: ein verschachteltes Labyrinth aus Türmen, Erkern, Zinnen, Wehrgängen und Schießscharten, einzig dazu bestimmt, dem Ansturm jedes nur vorstellbaren Feindes zu trotzen.
Doch der Anblick, der sich ihr bot, war das genaue Gegenteil. Die Fenster führten auf den großen,
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