Der Ring des Sarazenen
asymmetrisch angelegten Innenhof der Burg hinaus, aber es war nicht wirklich ein Hof, sondern ein blühender Garten, in dem Palmen und bunte Büsche wuchsen, Wildblumen in allen nur erdenklichen Farben und Arten, blühende Sträucher und uralte, Früchte tragende Bäume. Ein betörender Duft wehte zu ihr hinauf, sie hörte Vögel singen und das unendlich süße Geräusch von plätscherndem Wasser, das von den künstlich angelegten Bächen und Springbrunnen dort unten heraufdrang. Der Garten war verlassen, aber es gehörte nicht viel Fantasie dazu, sich lustwandelnde Menschen darin vorzustellen, verliebte Paare, die Hand in Hand gingen, spielende Kinder oder einfach nur Müßiggänger, die das Übermaß an Leben und Farbe genossen, das hier, im Herzen der heißesten und tödlichsten Wüste, die sie sich nur vorstellen konnte, auf sie wartete.
Selbst die Mauern und Gebäude, die diesen Garten Eden einschlossen, standen im deutlichen Kontrast zu den düsteren Außenbereichen Masyafs. Sie waren hoch und endeten in zinnenbesetzten Kronen, aber das war auch schon die einzige Ähnlichkeit. Es gab zahlreiche Fenster, Balkone und luftige Säulengänge und alles war aus weißem Marmor gefertigt, der in der Sonne schimmerte wie frisch gefallener Schnee. Robin hörte Aishas Schritte hinter sich, aber sie blieb einfach stehen und betrachtete das unglaubliche Bild unter sich. Sie wagte nicht zu blinzeln, aus Angst, das Trugbild könnte verschwunden sein, wenn sie die Lider wieder hob.
»Gefällt dir, was du siehst?«, fragte Aisha.
Robin machte sich erst gar nicht die Mühe zu antworten. Sie wagte es nicht, den Zauber des Moments zu stören.
»Jetzt verstehst du vielleicht besser, wieso Haruns Männer ihm so treu ergeben sind«, murmelte Aisha. »Welcher Mann gäbe nicht seine Seele, um in diesem Paradies leben zu können?«
So verstört und entkräftet Robin noch war - so konnte sie nicht anders, als Aisha innerlich zuzustimmen. Trotzdem fragte sie: »Was hat er davon, wenn er genau dieses Leben verliert?«
Aisha schüttelte heftig den Kopf. Robin spürte die Bewegung, obwohl sie nicht in ihre Richtung sah. »Du verstehst nichts, Ungläubige«, behauptete sie. Es klang nicht abfällig, sondern wie eine unabänderliche Feststellung. »Das ist nur ein Vorgeschmack dessen, was auf die Söhne Ismaels wartet, wenn ihr Leben auf dieser Welt zu Ende geht. Das Paradies und immer währende Freude.«
Und das glaubst du wirklich? dachte Robin. Der Anblick berührte sie noch immer zutiefst, und dennoch hatten Aishas Worte den Zauber gebrochen. Plötzlich tat ihr die Araberin nur noch Leid. Begriff sie denn nicht, welch fürchterlicher Täuschung sie aufsaß und dass der Garten dort unten, so wunderbar er auch war, nichts anderes als eine blühende Oase inmitten der Wüste war? Haruns Versprechen war nicht mehr wert als der Sand, durch den sie in den letzten Tagen geritten waren.
Mit einem Mal befiel sie eine Traurigkeit und sie trat vom Fenster zurück. Der Zauber des Augenblicks war zerstört. »Was erwartet dein Herr von mir?«, fragte sie Aisha.
»Zuallererst einmal, dass du dich wäschst«, antwortete Aisha.
Robin schüttelte den Kopf. »Ich meine es ernst, Aisha«, beharrte sie. »Ich werde niemals seine Gemahlin werden.«
»Ich meine es auch ernst«, erwiderte Aisha. »Denn er wird schreiend davonlaufen, wenn er dich so sieht. Und das wollen wir doch beide nicht, oder?«
Mit einer herrischen Geste schnitt sie ihr jede weitere Entgegnung ab und klatschte in die Hände. Robin war nicht überrascht, als der Vorhang auf der anderen Seite des Zimmers zur Seite geschlagen wurde und zwei verschleierte Frauen dahinter heraustraten. Eine von ihnen trug ein Tablett mit einem goldenen Krug und einem Trinkgefäß aus dem gleichen Material, daneben eine Schale mit Obst, die Arme der anderen waren mit sauberen, kostbaren, Kleidern beladen.
Freudig überrascht war sie, als sie die dritte Gestalt erkannte, die einen Moment später hinter dem Vorhang heraustrat und mit hüpfenden Schritten an den beiden Sklavinnen vorbeieilte. »Nemeth!«, rief sie.
Das Mädchen lachte hell auf, beschleunigte seine Schritte und warf sich mit solchem Ungestüm in Robins ausgebreitete Arme, dass es sie fast von den Füßen gerissen hätte. Im letzten Moment erst fand Robin das Gleichgewicht wieder, dann presste sie Nemeth lachend an sich.
»Ich bin ja so froh, dich zu sehen!«, sagte sie. »Und dir geht es auch wirklich gut? Dir fehlt nichts?«
»Niemand
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