Der Ring des Sarazenen
hervor, sondern nur einige weitere, kleinere Beutel und Säckchen sowie schmale Streifen eines weißen Tuches.
Sie winkte Robin heran, befahl ihr, sich herumzudrehen. Dann begutachtete sie ausführlich ihre auf dem ganzen Körper verteilten Kratzer und Verletzungen. Die meisten davon waren harmlos, aber Robin mutmaßte, dass zwei oder drei der Wunden tief genug waren, um hässlich zu vernarben. Naida untersuchte all ihre Verletzungen gründlich, kratzte hier und da mit dem Fingernagel ein wenig Schorf ab. Es tat weh, aber Robin biss tapfer die Zähne zusammen und gab nicht den mindesten Laut von sich. Schließlich begann die Alte, die unterschiedlichsten Tinkturen und Salben aus ihren Beutelchen hervorzuholen und auf die Verletzungen aufzutragen. Manches brannte wie Feuer, das meiste aber war kühl und tat gut. Robin ließ es gerne mit sich geschehen, dass Naida ihr zwei neue Verbände anlegte.
Als sie endlich fertig war, schielte Robin verlangend nach den Kleidern, die auf dem Bett lagen. Sie fror so erbärmlich, dass sie mittlerweile am ganzen Leib zitterte, obwohl die Sonne mit großer Kraft durch das Fenster hereinschien und es im Zimmer eher zu warm als zu kalt war. Offensichtlich hatte sie immer noch ein wenig Fieber, und ihr Körper protestierte mit Nachdruck gegen die grobe Behandlung, die sie ihm seit Wochen zuteil werden ließ. Doch Naida schüttelte nur den Kopf, schob sie am ausgestreckten Arm ein Stück von sich weg und begutachtete sie von Kopf bis Fuß, so wie ein Maler, der gerade ein Bild fertig gestellt hatte, aber nicht ganz zufrieden mit seiner Arbeit war.
Die Alte deutete auf die Narbe an Robins Kehle, sagte etwas, das sich wenig freundlich anhörte, und griff dann nach Robins Arm. Ihr Daumen grub sich so derb in Robins Oberarm, dass sie schmerzerfüllt die Luft einsog. Robin brauchte ihre Worte gar nicht zu verstehen, denn die Miene der alten Frau ließ ihre Missbilligung deutlich erkennen. Es war nicht schwer zu erraten, was sie sagen wollte. Körperlich hatte sich Robin im Verlauf des zurückliegenden Jahres endgültig vom Mädchen zur Frau entwickelt und mit ihrem Gesicht und ihrer Figur konnte sie sich ohne Weiteres mit den allermeisten anderen Frauen messen, denen sie begegnet war - auch wenn ihre Rundungen weniger üppig ausfielen als bei den meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen. Schlimm stand es jedoch um ihre Frisur, die gewiss praktisch war, wenn man einen schweren Topfhelm trug, doch nüchtern betrachtet alles andere als damenhaft aussah.
Schließlich war sie auch nicht zur Hofdame erzogen worden! Stattdessen hatte sie Reiten, Bogenschießen und Schwertkämpfen gelernt. Salim hatte sie gnadenlos geschunden, weil er ahnte, was ihnen bevorstehen würde, und das Ergebnis seiner Bemühungen war nicht zu übersehen. Unter ihrer glatten, seidenweichen Haut hatte Robin Muskeln, die so stark wie die eines Mannes waren, und ganz offensichtlich gefiel dieser Umstand Naida nicht besonders. Eine Weile murmelte sie kopfschüttelnd und verdrießlich vor sich hin, dann drehte sie sich herum und gestikulierte mit der Hand. Sogleich begann die Sklavin, ihr zu helfen, die fremdartigen Kleider richtig anzulegen. Als Letztes schlüpfte Robin in die Sandalen.
Die Kleider bestanden aus wenig mehr als nichts. Wenn sie im Sonnenlicht stand, mussten sie beinahe durchsichtig sein, sodass man den Umriss ihres Körpers darunter in allen Einzelheiten erkennen konnte, und auch die flachen Schuhe dienten deutlich mehr der Zierde als dem Schutz. Die Sohlen waren so dünn, dass sie die Kälte des Bodens darunter spüren konnte. Trotzdem war das Zittern verschwunden. Sie hatte sogar das Gefühl, nicht mehr ganz so schrecklich zu frieren wie noch vor einem Augenblick, auch wenn ihr natürlich klar war, dass das nur Einbildung sein konnte.
Sie sah an sich herab und strich bewundernd mit den Fingern über den glatten, seidenweichen Stoff des Gewandes. Naida nahm sie bei der Schulter und führte sie zur anderen Seite des Zimmers, wo sie in dem kleinen Wasserbecken ihr Spiegelbild bewundern konnte.
Fassungslos starrte Robin das Bild an, das sich ihr bot.
Seit sie Salim kennen gelernt hatte, war der junge Tuareg nicht müde geworden, ihr immer wieder zu versichern, dass sie eine der schönsten Frauen sei, denen er jemals begegnet war, aber natürlich hatte sie das für Schmeichelei gehalten. Worte, die Männer Frauen eben sagten, um das zu bekommen, was Männer im Allgemeinen von Frauen haben wollen. Jetzt aber, als
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