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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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musst jetzt gehen«, sagte Naida, nachdem sie sich wieder zu ihr herumgedreht hatte. »Verabschiede dich von deiner Freundin. Dies hier war dein letzter Besuch.«
    Irgendetwas in Naidas Blick und Stimme warnte Robin. Sie hatte sehr viel mehr erreicht, als sie eigentlich hätte erwarten dürfen, aber nun spürte sie plötzlich, wie dünn das Eis war, auf dem sie sich bewegte. Sie kannte Naida viel zu wenig, um beurteilen zu können, ob die alte Sklavin tatsächlich über ein gutes Herz verfügte, das sich nur unter einer vorgetäuschten Schale aus Härte und Unnahbarkeit verbarg, oder ob sie einfach nur einen glücklichen Moment erwischt hatte. So oder so war Robin klar, dass der Zwischenfall dem Sklavenhändler nicht verborgen bleiben würde.
    Robin wollte Naida keine Schwierigkeiten bereiten. So nickte sie nur, drehte sich noch einmal zu der Wand aus Gitterstäben herum und ging in die Hocke, um auf einer Höhe mit Nemeths Gesicht zu sein.
    Das Mädchen hatte Brot und Datteln mittlerweile bis auf den letzten Krümel verzehrt und sich wieder Schutz suchend in die Arme ihrer Mutter geflüchtet. Sie sah Robin weiter auf diese stumme, eindringliche Art an, die vermutlich gar nicht vorwurfsvoll gemeint war. Wieder musste Robin gegen die Tränen ankämpfen, die ihr in die Augen schießen wollten.
    »Ich werde wiederkommen«, versprach sie. »Und dir wird nichts passieren, darauf gebe ich dir mein Wort.«
    Nemeth reagierte nicht, aber ihre Mutter hob den Blick. In ihren rot entzündeten Augen mischte sich Verzweiflung mit einer jäh aufflammenden Hoffnung. Ihre Worte taten Robin bereits wieder Leid. Tief in sich spürte sie, dass sie vielleicht nicht in der Lage sein würde, dieses Versprechen zu halten, ganz egal, wie sehr sie es auch wollte - und genau dieses Gefühl schien Saila zu teilen. Trotzdem klammerte sie sich mit der verzweifelten Kraft einer Mutter, die um das Leben ihres Kindes kämpft, an diese so vorschnell und leichtfertig ausgesprochenen Worte. Und vielleicht gaben sie ihr ja Kraft. Vielleicht erfüllte dieses Versprechen, das Robin möglicherweise nicht würde halten können, doch seinen Zweck, indem es Saila und ihrer Tochter das entscheidende Quäntchen Mut und Hoffnung gab, das über Leben oder Tod entscheiden mochte.
    Mit einem Ruck stand Robin auf, drehte sich herum und lief so schnell die Treppe hinauf, dass der Krieger ihr hinterhereilen und sie festhalten musste, damit Naida wieder zu ihnen aufschließen konnte.
     
    Am nächsten Morgen erwachte sie noch vor Sonnenaufgang von den feierlichen Rufen der Muezzine, die von den zahlreichen Minaretten der Moscheen erklangen. Die Nacht hatte Robin einen von Albträumen und wirren Fantasien geplagten Schlaf beschert, der ihr eher Kraft geraubt als Erholung gebracht hatte. Vom Hof her drangen vielfältige Geräusche in ihr Zimmer, und als sie den Kopf wandte und zum Fenster hinsah, erblickte sie den rötlichen Schein mehrerer Fackeln. Sie fühlte sich nicht gut. Sie war in Schweiß gebadet, ihre Haut fühlte sich klebrig und schmutzig an. Das war verwunderlich. Denn so heiß die Tage in diesem Teil der Welt auch sein mochten, so eisig waren meist die Nächte. Unsicher setzte sie sich auf der Bettkante auf, klaubte die dünne Decke, die sie im Schlaf abgestreift hatte, vom Boden auf und schlang sie sich um die Schultern, ehe sie aufstand und ans Fenster trat.
    Über Hama mit all seinen unzähligen Türmen, Kuppeldächern und Minaretten war die Sonne noch nicht aufgegangen, aber im Osten zeigte sich bereits ein rötlicher Schimmer am Horizont. Der ummauerte Innenhof unter ihr war von einem Dutzend Fackeln hell erleuchtet. Robin blinzelte ein paar Mal und fuhr sich schließlich mit dem Handrücken über die Augen, um den Schlaf endgültig fortzuwischen und halbwegs klar sehen zu können. Das ungewohnte Bild ließ sie einen winzigen Moment lang zweifeln, ob sie tatsächlich schon wach war oder noch träumte, zugleich aber stahl sich ein mattes Lächeln auf ihr Gesicht, als sie begriff, dass Naida tatsächlich Wort gehalten hatte.
    Von dem mehr als einem Dutzend Gestalten, das sie unter sich auf dem Hof erblickte, war sicherlich ein Drittel bewaffnet und gehörte zu den Wachen, die in Omars Dienst standen, aber die anderen waren eindeutig die Sklaven, die sie am vergangenen Abend unten im Kerker gesehen hatte. Im flackernden Licht der Fackeln und aus der Höhe ihres Zimmers herab betrachtet, wirkten sie beinahe noch bemitleidenswerter und zerlumpter als am

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