Der Ring des Sarazenen
Frage zu beantworten. »Ich kann verstehen, dass du sie ins Herz geschlossen hast. Mach dir keine Sorgen um sie. Sie ist stark. Sie wird es schaffen.«
»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet«, beharrte Robin.
»Weil es die Wahrheit ist«, erwiderte Naida, ohne sie anzusehen.
»Du wirst sie nicht wieder sehen. Und du wirst ihr auch kein Essen mehr bringen.«
»Warum nicht?«, fragte Robin. »Ein Stück Brot und einige Datteln werden deinen Herrn nicht ruinieren, oder?«
Naida drehte sich zu ihr herum und sah ihr fest in die Augen. »Du willst weiter zu ihr gehen, ihr Mut zusprechen und ihr zu essen bringen?«, fragte sie. »Wozu? Willst du Hoffnungen in ihr wecken, die sich nicht erfüllen werden? Ihr ein Stück Brot zustecken, das ihren Hunger nicht stillt, ihr aber den Hass der anderen Gefangenen einbringt?«
»Aber…«
»Ich werde auf sie achten, soweit es in meiner Macht steht«, fiel ihr Naida ins Wort. »Aber überschätze diese Macht nicht. Und überschätze dich nicht, Kind. Wenn du diesem Mädchen wirklich helfen willst, dann vergiss es.«
Robin spürte, wie sich ihre Augen erneut mit Tränen füllen wollten, diesmal waren es Tränen der Wut und des Zorns. Sie war empört über Naida und vor allem über Omar, dessen Stimme und Hand die alte Frau war, und sie haderte mit einem Schicksal, das ihr unnötig grausam und ungerecht erschien. Dabei war ihr klar, dass die alte Sklavin Recht hatte. Es gab nichts, was sie für Nemeth oder ihre Mutter tun konnte. Ganz im Gegenteil: Wenn dem Sklavenhändler zugetragen wurde, wie viel Robin dieses Mädchen bedeutete, würde er dieses Wissen zweifellos als Druckmittel einsetzen - worunter wahrscheinlich alle Beteiligten leiden würden.
»Dann schick wenigstens nach einem Heilkundigen«, verlangte sie. Naida riss die Augen auf und starrte sie an, als zweifelte sie an ihrem Verstand. Robin drehte sich halb herum und deutete auf das Fenster zum Hof. »Diese Menschen sind krank. Sieh dir den Jungen dort unten an. Es ist ein Wunder, dass er noch lebt. Willst du warten, bis er stirbt und sich der Gewinn deines Herrn erneut schmälert?« Naida schüttelte den Kopf und schürzte nur verächtlich die Lippen.
Sie sagte nichts, als sie mit zwei schnellen Schritten wieder neben Robin trat. Einen Moment lang blickte sie auf den Knaben hinab, der zitternd vor Schwäche gegen seine Mutter gelehnt dastand und offenbar nicht einmal mehr die Kraft hatte, alleine zu gehen. Naida schüttelte erneut den Kopf. »Er wird ohnehin sterben«, murmelte sie.
»Allah hat beschlossen, den Knaben schon bald zu sich zu nehmen.« Sie maß Robin mit einem verächtlichen Blick. »Ist es nicht auch bei euch Christen Sitte, die letzte Entscheidung über Leben und Tod in Gottes Hand zu legen? Und betrachtet ihr es nicht als Sünde, sich gegen den Willen eures Gottes aufzulehnen?«
»Wir glauben, dass es im Sinne Gottes ist, dass die Starken den Schwachen helfen«, widersprach Robin.
Wieder schüttelte Naida den Kopf, entschiedener diesmal. »Ich werde nicht mit einer Ungläubigen über Allahs Willen streiten«, sagte sie. »Und hüte dich, mir schon wieder zu sagen, dass ich Omar nur einen Dienst erweise, wenn ich sein Eigentum schütze. Diese Worte nutzen sich im Laufe der Zeit ab.«
»Aber…«
»Genug!«, unterbrach Naida sie scharf. Sie trat einen Schritt vom Fenster zurück und drehte sich energisch herum, um nicht mehr in Richtung des Jungen zu blicken. »Ein Heilkundiger kostet Geld, und das habe ich nicht. Nicht für Sklaven.«
Robin funkelte sie einen Moment wütend an, dann riss sie so ungestüm den Arm nach oben, dass Naida zusammenfuhr und sich spannte, als erwarte sie einen tätlichen Angriff. Stattdessen aber streifte Robin einen der goldenen Armreife ab, mit denen die Sklavinnen sie geschmückt hatten. »Geht es nur um ein paar jämmerliche Münzen?«, fragte sie verächtlich. »Dann nimm das hier. Das wird reichen, um einen Medicus zu bezahlen.« Sie musste sich beherrschen, um Naida den Armreif nicht vor die Füße zu werfen. Ihre Augen blitzten vor Zorn und ihre Stimme bebte.
Naidas Antwort bestand aus einem spöttisch herablassenden Verziehen der Lippen. »Du Närrin«, sagte sie. »Nichts von dem, was du am Leibe trägst, gehört dir. Dieser Armreif ist ebenso Omars Besitz, wie ich es bin, oder du, wie einfach alles hier. Du besitzt nichts! Du hast nicht das Geringste zu bieten, um einen Heiler zu entlohnen.« Sie lächelte böse. »Nicht einmal dein eigener
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