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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dem Behältnis, um es anschließend geleert zurückzubringen. Darüber hinaus rührte keine von ihnen auch nur einen Finger, um Robin zu helfen.
    Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als sie endlich fertig war. Sie war nun endgültig bis auf die letzte Faser durchnässt und hatte sich noch etliche kleinere Schnittwunden an Händen, Knien und Füßen zugezogen. Ihre Finger waren wie taub von der Anstrengung, die groben Tücher auszuwringen.
    Nachdem das Zimmer endlich wieder halbwegs in dem Zustand war, in dem es sich vor Haruns Erscheinen befunden hatte, ließ sich Robin erschöpft aufs Bett sinken. Die beiden Sklavinnen verließen den Raum - die eine mit dem Wasserkrug beladen, die andere den Arm voller durchnässter schwerer Tücher -, und auch Naida ging. Schon binnen weniger Augenblicke kehrte sie wieder zurück.
    Robin hob müde den Kopf, als sie eintrat, und starrte dann mit einer Mischung aus Staunen und Erschrecken auf die Lumpen, die die Sklavin in den Armen trug. Es waren die gleichen, zerrissenen und immer noch vor Schmutz starrenden Kleider, die sie auf ihrer mörderischen Reise nach Hama getragen hatte.
    »Hier«, sagte Naida verächtlich, während sie das Lumpenbündel neben Robins Bett auf den Boden warf. »Zieh dir etwas Trockenes an, damit du am Ende nicht krank wirst und Omar mich bestraft.«
    Robin fühlte sich zerschlagen und müde und sie bedurfte fast ihrer ganzen Kraft, um sich auf die Ellbogen hochzustemmen und mühsam die Beine vom Bett zu schwingen. Ihre Waden waren verkrampft und zwei oder drei der tiefsten Schnitte bluteten noch immer. Sie begriff nicht, warum die Sklavin ihr ausgerechnet ihre alten, zerschlissenen Kleider gebracht hatte, aber sie hütete sich, eine entsprechende Frage zu stellen. Stattdessen bedankte sie sich artig, hob das Bündel umständlich auf und schlurfte mit hängenden Schultern hinter den Wandschirm, um sich umzuziehen. Selbst diese kleinen Bewegungen bereiteten ihr Mühe, und sie stellte sich so ungeschickt an, dass es Naida schließlich zu viel wurde und sie mit energischen Schritten ebenfalls hinter den Wandschirm trat. In ihren Augen blitzte eine Mischung aus Zorn und Verachtung, als sie Robin von Kopf bis Fuß musterte.
    »Ja«, sagte sie. »Vielleicht stehen dir diese Kleider besser als die feine Seide und das Gold, das du bisher hier getragen hast.«
    Robin sah sie nur traurig an und blickte an sich herab. Zunächst war sie nur erleichtert gewesen, wieder etwas Trockenes am Leib zu tragen und nicht vor Kälte zittern zu müssen, aber Naidas Worte schienen ihr die Schäbigkeit des groben schwarzen Umhanges vor Augen zu führen. Mit einem Male wurde ihr bewusst, wie sehr der Stoff auf der Haut scheuerte, wie schmutzig er war, und wie übel riechend.
    »Warum tust du das?«, fragte sie.
    »Wenn dir so an deinen Sklavenfreunden gelegen ist, dann ist es doch nur gerecht, dass du dich wie sie kleidest«, erwiderte Naida. Ihre Stimme zitterte leicht; ob vor Zorn oder aus einem anderen Grund, vermochte Robin nicht zu beurteilen. Das sonderbare Betragen der alten Frau beunruhigte sie zunehmend und das, obwohl - oder vielleicht gerade weil - sie es nicht verstand.
    »Aber…«
    »Du bist so dumm«, unterbrach sie Naida. »Glaubst du, du bist das erste Christenmädchen, das man hierher bringt? Und glaubst du vielleicht, du wärst die erste Christin, mit der er für eine Woche oder zwei sein Bett teilt, bis er ihrer überdrüssig geworden ist und sie auf dem Sklavenmarkt verkauft?« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Aber du bist die Erste, die er so behandelt, auch wenn ich einfach nicht verstehe, warum. Allah wird dir kein zweites Mal die Gelegenheit geben, dem Schicksal einer Dirne zu entrinnen, die die Männer für eine kleine Münze mit in ihre Zelte nehmen - und dein Christengott auch nicht.«
    »Aber was habe ich denn getan?«, fragte Robin. Mit einer Geste der Hilflosigkeit breitete sie die Hände aus. »Ich hatte doch nur Mitleid mit einem Kind.«
    »Mitleid?« So, wie Naida das Wort aussprach, klang es wie ein Fluch. Sie lachte hart und humorlos. »Mitleid ist etwas, was du von einem Mann nicht erwarten kannst, dummes Mädchen. Und Gerechtigkeit schon gar nicht.« Plötzlich streckte sie die Hand aus, und als Robin den Blick senkte, erkannte sie zu ihrer maßlosen Überraschung den winzigen, goldglitzernden Ring, den Salim ihr geschenkt hatte.
    »Aber du hast versprochen…«
    »Und ich werde mein Versprechen halten«, fiel ihr Naida ins Wort. Sie machte

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