Der Ring des Todes - ein Wagner Krimi
York lebte… Scheiße! Damit dürfte Kai Westhofen ein wasserdichtes Alibi haben, wenn er zum Zeitpunkt des Mordes nicht zufällig in Mannheim gewesen war. Offenbar eine Sackgasse!
Das Klingeln des Telefons ließ Wagner zusammenzucken. „Kremer hier. Ich könnte Ihren Fall jetzt obduzieren. Ließe sich das einrichten?“ Die tiefe Stimme des Gerichtsmediziners hatte stets eine beruhigende Wirkung auf ihn. „Bin gleich da, Doktor.“ Theobald Wagner hoffte inständig, dass sein Magen das Sezieren der Leiche überstehen würde, ohne sich peinlicherweise an Ort und Stelle zu entleeren. Er musste dabei sein. Es war sein Fall. Basta!
Der Weg zum Klinikum war kurz, Wagner hätte ihn auch blind fahren können. Wie oft war er schon hier gewesen, um der Autopsie eines Opfers beizuwohnen? Er wusste es nicht. Es war eine Zahl, mehr nicht. Auch das Schicksal der Toten musste nebensächlich bleiben. Anders war objektives Arbeiten und klares Denken nicht möglich. Theobald Wagner stand im Fahrstuhl und erinnerte sich daran, wie nahe ihm anfänglich diese Termine beim Gerichtsmediziner gegangen waren. Mittlerweile war er vergleichsweise abgestumpft. War das Selbstschutz oder brachte das der Job zwangsläufig mit sich? Noch bevor seine Gedanken dieser Frage weiter nachhängen konnten, stand Dr. Kremer vor ihm.
„Ich habe bereits mit den Röntgenbildern begonnen. Sie werden gerade entwickelt. Sind sie soweit?“ Kremer sah ihn mitleidig an. „Klar. Warum nicht?“, entgegnete Wagner, ohne den Gerichtsmediziner anzusehen.
Dr. Kremers Statur entsprach eher der eines kanadischen Holzfällers, doch seine groben Hände hatten dem einen oder anderen toten Körper schon manches Geheimnis entlockt. Dieser bärtige Mann mit der Nickelbrille auf seiner charakteristischen Hakennase war Wagner von Anfang an sympathisch gewesen.
„Ich hoffe sehr, dass meine Sorge um Sie unbegründet ist!“ Der Arzt machte eine kurze Pause, bevor er sich der Leiche auf dem Edelstahltisch zuwandte. „Olaf Westhofen, zweiundvierzig Jahre alt. Eine Stichwunde. Würde mich nicht wundern, wenn der Täter das Herz erwischt hätte.“
Während der Brustkorb sich unter der Säge öffnete, schwiegen die Männer. Immer dieselben Schnitte. Wie ein Ypsilon. „Der Täter könnte Routine im Töten haben. Nur eine Stichwunde, das spricht sehr dafür.“ Hauptkommissar Wagners Stimme hallte in dem kalten Raum. „Möglich. Jedenfalls hat das Opfer nicht lange gelitten. Das Herz ist schwer verletzt. Was soll das mit dem Drachen und den Regenwürmern?“ Dr. Kremer legte seine Stirn nachdenklich in Falten. „Keine Ahnung. Es könnte eine Botschaft des Mörders sein. Aber was soll sie bedeuten?“, antwortete Hauptkommissar Wagner ratlos.
„Die Röntgenbilder, Doktor. Da ist etwas Merkwürdiges… Aber sehen Sie selbst.“ Ein weiterer Gerichtsmediziner eilte herein, klemmte die Bilder an die Lampe. Zu dritt starrten sie nun auf die Röntgenaufnahmen.
Theobald Wagner schluckte. „Was ist das für ein Gegenstand da im, äh…?“
„Enddarm? Ich würde sagen, das ist ein Ring.“ Hauptkommissar Wagner verzog das Gesicht, während Dr. Kremer die Leiche fachmännisch umdrehte. „Zum Zeitpunkt unseres Eintreffens am Tatort war die Leichenstarre anscheinend noch auf die Kiefergelenke beschränkt. Und unter Beachtung der Intensität der Totenflecken stimme ich mit meinem Kollegen vor Ort überein, dass Herr Westhofen gegen drei Uhr früh heute Morgen verstorben ist, “ keuchte der Arzt unter der Anstrengung, die inzwischen vollkommen erstarrte Leiche zu bewegen. Wagner stand stocksteif daneben und kämpfte gegen die Brezel an, die nur zu gerne wieder aus seinem Magen wollte. „Aber Sie wissen ja, das ist keine allzu exakte Wissenschaft. Der Zustand einiger Regenwürmer unterstützt diese Annahme allerdings zusätzlich“, dozierte Kremer weiter, als er sich außerhalb von Wagners Sichtfeld auf die Suche nach dem Objekt im Enddarm von Olaf Westhofen machte. Wieder rebellierte die Brezel, Wagner suchte nach Ablenkung: „Waren nicht alle Würmer im selben Zustand?“ Dr. Kremer sah kurz auf.
„Natürlich nicht. Es ist wie bei den Menschen, manche halten einfach länger durch als andere.“ Der Gerichtsmediziner lachte laut auf. Dann hielt er den Gegenstand aus dem Enddarm des Opfers in der Hand. Er schwenkte ihn wie eine Trophäe, als er zum Waschbecken ging. „Ein Siegelring nach dem Vorbild amerikanischer College-Jahrgangsringe. Billiges Imitat, würde ich
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