Der Ring des Todes - ein Wagner Krimi
sowieso weiterklingeln, bis er dran ging. Er wettete darauf, dass es die Dienststelle war. Wer sollte ihn auch sonst anrufen? Mit den Fingerspitzen angelte er das Telefon vom Nachttisch und hob ab. „Wagner?“ „Na endlich. Du hast vielleicht Nerven!“
Sein Chef war schon wieder auf hundertachtzig und gab knapp die Adresse eines Tatortes durch. „Solltest du noch im Bett liegen, hoffe ich für dich, dass dein Zustand es dir bereits erlaubt aufzustehen, du hast es nämlich eilig!“ Lutz Hartmann hatte aufgelegt.
Theobald Wagner war froh, dass er nicht hatte sprechen müssen. Irgendetwas sagte ihm, dass seine Stimme reichlich versoffen geklungen hätte. Einen Moment lag er regungslos mit offenen Augen da. Wie spät es wohl war? Er hatte das Gefühl, auf dem Boden eines Schnapsglases zu liegen und einen Geschmack im Mund, über den er nicht länger nachdenken wollte. ‚Diese Sauftouren müssen ein Ende haben‘, dachte Theobald Wagner wie jedes Mal nach einer solchen Nacht, wenn er sich langsam erhob, während er darauf achtete, die Augen geradeaus zu halten. Hektische Kopfbewegungen waren in diesem Zustand seiner Erfahrung nach vernichtend.
Irgendwie schaffte er es unter die Dusche. Das half meistens, zumindest einen Teil der Beschwerden loszuwerden. Während das lauwarme Wasser auf seine Schultern prasselte, putzte er sich die Zähne. Mittlerweile war es kurz nach acht.
Seit geraumer Zeit gab es einen Coffeeshop gleich um die Ecke gegenüber der Jesuitenkirche, der bereits um acht geöffnet hatte. Als Stammgast musste er mittlerweile schon nicht mehr bestellen. Er trank jeden Morgen das Gleiche: einen doppelten Espresso mit einem Schuss Milch. Heute war Lara da. Wagner hatte stets das Gefühl, diese Studentin flirte mit ihm. Mit einem Augenzwinkern und ihrem umwerfenden Lächeln schob sie den rettenden Kaffeebecher über die Theke und grinste. „Einmal Espresso Wagner Spezial. Sie sehen schon wieder so übermüdet aus. Nachts bezaubern Sie die Ladies dieser Stadt, und ich muss Sie morgens wieder aufrichten. Das ist nicht fair!“ Lachend nahm sie sein Geld und sah ihn mit ihren großen braunen Augen an. „Schöner Tag für Sie, Lara.“ Theobald Wagner drehte sich um und ging. Heute Morgen war er besonders finster drauf. Arme Lara.
Mit dem Pappbecher bewaffnet machte er sich auf zu seinem nächsten Fall. ‚Wieder eine Niederlage, die es einzustecken gilt‘, dachte er bitter, und ließ sich auf den Autositz fallen. Theobald Wagner wusste, dass seine Tage bei der Mordkommission gezählt waren, wenn er seine Probleme nicht bald in den Griff bekam. Lutz Hartmann hatte sich diesbezüglich nach der letzten vergeigten Ermittlung deutlich ausgedrückt. Eigentlich mochte er seinen Chef. Sie waren ab und an zusammen zum Eishockey gegangen und hatten eine Menge Spaß gehabt. Er liebte seinen Job, das stand außer Frage. Hauptkommissar Wagner war der erfolgreichste Ermittler seiner Abteilung gewesen, bis ihn seine Intuition verlassen hatte. Seither schaute er immer häufiger entschieden zu tief ins Glas und machte so alles nur noch schlimmer. ‚Damit ist jetzt Schluss‘, ermahnte er sich und schlug mit der Faust auf das Lenkrad. ‚Dies ist wahrscheinlich deine letzte Chance. Also, carpe diem, pflücke den Tag!‘ Wagner musste grinsen, als er sich ausmalte, was passieren würde, wenn er sich in seinem momentanen Zustand vornüber bücken würde, um irgendetwas zu pflücken. Vermutlich würde er sich auf die neuen Schuhe kotzen.
Sein abruptes Bremsmanöver holte ihn unsanft in die Realität zurück. Beinahe wäre er an dem Haus am oberen Luisenpark 5 vorbeigeschossen. Die Kollegen waren schon da. In der weitläufigen Auffahrt hinter dem schmiedeeisernen Zaun waren kreuz und quer die Dienstfahrzeuge abgestellt. Hauptkommissar Wagner parkte seinen Wagen auf der Straße. Sein schäbiger 3er Golf passte nicht so recht in die Kulisse dieses vornehmen Palastes. Anerkennend stieß er einen Pfiff aus, als er an dem uniformierten Kollegen im Eingang der Villa vorbeiging. Dies war definitiv eines der luxuriösesten Häuser der Stadt. „Auch schon da?“, murmelte der Polizist leise. Theobald Wagner blieb stehen und drehte sich zu dem Beamten um. „Wie bitte?“ Er bemühte sich, mit beherrschter Stimme zu sprechen, denn der Junge war bereits knallrot angelaufen. Dieser Satz war nicht für Wagners scharfes Gehör bestimmt gewesen. Trotz pelzigem Kopf war seine Fähigkeit, leiseste Worte wahrzunehmen, nicht im Mindesten
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