Der Ring des Todes - ein Wagner Krimi
Fotos gemacht. Sie können sich später alles ansehen.“ Hörte er da Sarkasmus mitschwingen? Und wenn schon. Hauptkommissar Wagner reagierte nicht darauf. „Wer hat ihn gefunden?“ „Eine Angestellte. Wir haben sie zum Arzt bringen lassen. Die arme alte Dame ist völlig fertig. Sie steht schon sehr lange im Dienst der Familie. Sie war Olaf Westhofens Kindermädchen. Die beiden standen sich offenbar sehr nahe.“ „Sonst noch irgendetwas?“ Theobald Wagner sah nun endlich von dem toten Körper auf. Niemand antwortete. „Gut, dann brauche ich alle Informationen und Fotos so schnell es geht auf meinem Schreibtisch.“ Nachdenklich zog Hauptkommissar Wagner die Latexhandschuhe aus.
„Dr. Kremer soll mich anrufen, wenn er einen Termin zur Obduktion frei hat.“ „Natürlich.“
Wagner verließ die Villa mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend. Er musste sich irgendwo eine Brezel besorgen. Sein Körper rebellierte, allerdings nicht nur wegen des leeren Magens. Es war vielmehr die Tatsache, dass hier ein prominenter Bürger der Stadt ermordet worden war. Der Druck war deshalb ungleich viel höher. Früher hätte ihn das angespornt. Heute ängstigte es ihn. Er war nicht mehr derselbe seit… Theobald Wagner saß hinter dem Steuer seines Wagens und verbot sich diesen Gedanken, ohne Erfolg. Er war nicht mehr derselbe, seit ihm in einem wichtigen Ermittlungsverfahren gravierende Fehler passiert waren. Zu großkotzig sei er geworden, hatte ihm sein Chef damals vorgeworfen. Wagner würde seinen Job nach all den Erfolgen zu locker nehmen. Lutz Hartmann wusste nicht das Geringste über ihn. Das Gegenteil war der Fall: Theobald Wagner hatte sich seine Schlampigkeit damals so sehr zu Herzen genommen, dass er bis heute nicht mehr fähig war, seiner inneren Stimme zu lauschen. Sie war verstummt. Ohne sie war er offenbar nichts wert, denn seither vergeigte er einen Fall nach dem anderen. Auf der Suche nach seiner Intuition hatte Wagner begonnen, sich ab und an mit Alkohol zu betäuben. Er war kein Idiot! Natürlich war ihm klar, dass dies ein Fehler war. Aber mit pelzigem Kopf schämte er sich nicht so sehr, wenn er in Selbstmitleid zerfloss. Obgleich der nächste Tag dann umso bitterer war.
Heute war genau so ein Tag. Er fuhr mit entschieden zuviel Restalkohol durch die Stadt. Und das als Polizist. Theobald Wagner ekelte sich vor sich selbst. Er war an einem weiteren Tiefpunkt angelangt.
Auf dem Parkplatz des Polizeipräsidiums blieb er noch einen kurzen Moment in seinem Wagen sitzen. Er musste sich sammeln. Erst mal eine Brezel kaufen, dann mit klarem Verstand an die Arbeit gehen. Ha! Er lachte laut auf. Das war schließlich das Problem. Wann hatte er das letzte Mal einen klaren Kopf gehabt?
Die Brezel zeigte wenigstens die erhoffte Wirkung. Zusammen mit der Cola, die das trockene Gebäck in den Magen geleitete. Ohne ihre Hilfe wäre das Ding vermutlich niemals dort unten angekommen, um das rebellierende Organ zu besänftigen.
Die Familienchronik der Westhofens las sich beeindruckend. Eine uralte Dynastie einer Kaufmannsfamilie, die das renommierte Unternehmen scheinbar aus dem Nichts aufgebaut hatte. Der Vater Olaf Westhofens hatte es schließlich zu dem Einkaufsparadies für Modejunkies gemacht, das es heute noch war. Dior und Co. hielten schon in den Fünfzigern Einzug. Westhofen, natürlich in bester Lage der Stadt, verkaufte nur teuerste Designermode oder Maßkonfektion aus der hauseigenen Schneiderei.
Wagner selbst hatte diesen Modetempel niemals betreten. Er war an Mode nicht besonders interessiert. Außerdem fehlten ihm schlicht die finanziellen Mittel für einen Einkaufsbummel bei Westhofen.
Interessant war vor allem der Bruder des Opfers. Kai Westhofen hatte sich offenbar nach dem Tod des Vaters seinen Erbteil am Familienunternehmen ausbezahlen lassen und somit die Alleinherrschaft dem jüngeren Bruder überlassen. War dies die logische Konsequenz, die aus einem Streit unter den Brüdern resultierte? Könnte sich hieraus ein Mordmotiv ergeben haben? Möglichkeiten gab es da viele. Kai Westhofen könnte seinen Bruder Olaf aus Habgier oder Eifersucht getötet haben. In Frage käme auch blanker Hass unter Geschwistern oder schlicht Rachegefühle. Jedes dieser Motive war Hauptkommissar Wagner schon vielfach während seiner Dienstzeit begegnet.
Die Nachforschungen hatten ergeben, dass Kai Westhofen Künstler war, mit Schwerpunkt auf Skulpturen aus ungewöhnlichen Materialien und seit Jahren schon in New
Weitere Kostenlose Bücher