Der Ring von Ikribu
sagte:
»Das ist nicht möglich, Rote Sonja. Die Älteren Götter schufen uns als Sterbliche, damit sie nie Hunger leiden müssten. Doch das Werkzeug, das sie herstellten, um unser Leid zu ihnen zu leiten, ist unzerstörbar. Der Ring kann nicht vernichtet werden, jedenfalls nicht durch Menschengeist und Menschenhand. Und jeder Versuch, ihn zu zerstören, würde Ikribu auf eine Weise erzürnen, dass er gewiss die ganze Welt bestrafen und Leid von nie dagewesenem Ausmaß über die Menschheit bringen würde. Nur indem wir ihn verstecken und entsprechende rituelle Opfer bringen, kann verhindert werden, dass der Ring Ikribus seine vollen Kräfte ausstrahlt.«
Sonja stieg müde vom Podest. Sie dachte an Olin. Mit dem Schwert in der Hand, dessen Spitze auf dem Boden ruhte, starrte sie auf die Fliesen, ehe ihr Blick zum Thron wanderte.
»Asroth war nicht der erste Zauberer, der versuchte, den Ring der Älteren Götter in seine Gewalt zu bringen«, sagte der Stygier. »Auch nicht der erste, der nicht glauben wollte, dass eine Macht, wie er sie verleiht, nur Grauen und Leid bringt.«
Sonja blickte auf Allas und Tias und die Soldaten. Wenigstens einige hatten überlebt, waren nicht zum Opfer des monströsen Kriegsgottes Ikribu geworden. Doch sie befürchtete, dass die Erinnerung sie ihr Leben lang quälen würde.
»Ihr und Eure Begleiter könnt die Festung nun verlassen, wann es euch beliebt«, wandte der Akoluth sich wieder an Sonja. »Der Weg durch das Gebäude ist jetzt nicht mehr gefährlich. Die Pfade der Täuschung gibt es nicht mehr. Auch die Dämonen, die hier Wache hielten, sind vernichtet.«
Sonja wurde bewusst, dass die Augen des Mannes nicht mehr gelb glühten, genauso wenig wie die seiner Brüder, die sich erholt hatten und aufgestanden waren. Und doch empfand sie Abscheu vor diesen Männern, die sich der Zauberkräfte bedienten, um die nach Menschenseelen dürstenden Götter zumindest ein wenig zu besänftigen.
»Ihr verachtet uns«, sagte der Stygier nun. »Obwohl Ihr und alle anderen Menschen euer Leben nur genießen könnt, soweit ihr das überhaupt vermögt, weil sich Orden wie unserer der Aufgabe widmen, die Älteren Götter zu beschwichtigen. Seid dankbar, dass unsere Last nicht auf euren Schultern ruht.«
»Eines Tages«, sagte Sonja mit blitzenden Augen, »finden wir vielleicht die Kraft und das Wissen, gegen diese Ungeheuer vorzugehen und sie zu vernichten, so dass sie nicht mehr ›beschwichtigt‹ werden müssen. Ich wollte, ich könnte mein Schwert dafür leihen.«
Der Stygier verneigte sich knapp, drehte sich um und schritt aus dem Raum. Die anderen Akoluthen folgten ihm hintereinander, und bald waren alle außer Sicht verschwunden. Sonja wandte sich an Allas, Tias und die Soldaten.
»Sie kehren in ihr Land zurück und nehmen den Ring mit sich. Nun müssen wir überlegen, wohin wir gehen wollen. Olins Feldzug ist beendet.«
Allas nickte. »Es besteht keine Eile mehr. Wenn ich es recht verstand, haben die Stygier diese Festung völlig von allen Gefahren befreit. Wir können lange genug bleiben, um Asroths Schätze zu finden und sie unter uns aufzuteilen, obwohl sie, das wissen die Götter, uns nicht für das entschädigen können, das wir verloren haben. Und nun, da es nicht mehr regnet, müssen wir unseren armen Pferden auf dem Bergpfad helfen …«
»Und dann«, fragte Sonja, »kehrt ihr danach nach Suthad zurück?«
Allas schüttelte den Kopf, und Tias sagte: »Ich habe einen Onkel in Messantia. Dort wollen wir hin.«
Sonja blickte die anderen an.
»Wir werden schon einen Weg finden«, antwortete ein Soldat ihre ungestellte Frage, »zu den verschiedenen Städten und Ländern. Aus irgendeinem Grund erwählte Mitra oder das Schicksal uns als einzige Überlebende dieses Wahnsinnsunternehmens. Wir werden uns wohl als Söldner verdingen. Ich persönlich würde gern meinem Lord Allas nach Messantia folgen, wenn er mir gestattete, ihm den Treueeid zu leisten.«
Die meisten der vierzehn Soldaten boten Allas ihre Dienste an. Nur fünf wollten ihre Verwandten in anderen Städten oder Ländern besuchen. Sonja seufzte tief und schob ihr Schwert in die Scheide. Diese Männer unterstanden ihr nun nicht mehr, und sie war wieder eine Söldnerin, wie zuvor. Sie würde allein ihres Weges ziehen, wohin wusste sie noch nicht.
Die Soldaten verließen das Gemach, um sich auf die Suche nach Asroths Gold zu machen. Allas, der sich daran machte, ihnen zu folgen, blieb neben Pelides’ Leiche
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