Der Ring von Ikribu
schlug. Sonja stieß mit den Beinen nach dem Riesen und funkelte ihn hasserfüllt an. Sie richtete die Schwertspitze auf ihn und wartete nur darauf, dass er sich bewegte oder seine Worte wiederholte.
Som erwiderte ihren wutblitzenden Blick fest. »Es ist vorbei«, sagte er leise, mit heiserer, gebrochener Stimme. »Es ist vorbei.«
Sonja hörte das weiche Tropfen von Wasser: Wasser aus ihrem Haar, von ihrem Gesicht, vom Schwert, das in den Tümpel zurücktropfte. Plötzlich zitterte sie am ganzen Körper, und das Wasser um sie herum kräuselte sich.
»Kommt, Sonja«, sagte Som sanft. »Es ist vorbei.«
Benommen schaute sie sich um. Sie schüttelte den Kopf, murmelte, konnte keinen klaren Gedanken fassen.
»Kommt!« drängte Som, fasste sie an der Hand und zog sie zum überschwemmten Ufer, bis sie festen Boden unter den Füßen hatten.
Sonja war wie betäubt. Sie konnte nicht sehen, nicht hören. Der Angriff war vorbei, die natürliche Ordnung setzte wieder ein. Die Überlebenden hatten sich am Rand des Tümpels gesammelt, doch Sonja sah sie nicht. Sie vermochte kaum zu atmen. Ihr Körper war bleiern, ihre Seele schwankte am schneidedünnen Rand eines Abgrunds, und qualvoll wurde ihr bewusst:
Sie liebte ihn!
Und nun dieser endgültige Verlust. Sein Tod machte ihr die zaghafte, feurige Liebe klar, die verborgen in ihr aufgeblüht war. Fröhliches Glück hatte ihre kriegerische Seele als Frau nie gekannt; und Geborgenheit hatte ihre weibliche Seele seit ihrer Kindheit nicht mehr gefühlt. Und dann hatte die Rote Sonja sich in Lord Olin von Suthad verliebt – und mit unbeschreiblicher Trauer erkannte sie die Größe dieser Liebe erst, als man sie von Olins nassem Grab zog.
War sie deshalb so weit gekommen? Deshalb in Hyrkanien geboren und aufgezogen, heimatlos, ohne Freunde, ohne Familie herumgezogen und nur von der Erinnerung an ihren Eid zu einer Gottheit begleitet? Hatte sie deshalb Gemetzel und Grauen, genug für drei Lebensspannen, erlebt – um diesen Mann durch Zauberei, durch ein Ungeheuer in einem namenlosen Sumpf, gebrochen und vernichtet zu sehen? War das die Bedeutung ihres Schwures, ihres Fluches – nicht, dass sie nie lieben würde, sondern dass er, den sie liebte, sterben musste?
Sie liebte ihn.
Sie entsann sich des letzten Blickes, mit dem Olin sie bedachte: ein Blick, der sie nun so sehr an ihres Vaters Augen erinnerte aufopfernd, fest, voll Grimm gegen das Böse und doch so sicher, dass die Welt, wenn sie erst von dem Übel befreit war, wieder sicher und schön sein würde.
Sie hatte das Ufer erreicht, doch nun versuchte sie ins Wasser zurückzukehren. Sie musste Olin finden, musste ihm sagen, was sie ihm nie gesagt hatte … Som hielt sie zurück, packte ihren Arm so fest, dass sie fast fürchtete, er würde ihn zerquetschen, wenn sie nicht nachgab. Und schließlich sank sie in die Knie, erschöpft, schwindelerfüllt, unfähig zu sprechen, ja auch nur zu denken.
Benommen legte sie ihr Schwert vor sich. Es war schartig und von der Spitze bis zum Knauf besudelt. Warum, fragte sie sich düster, warum hatte sie so viele töten, warum so viele andere und sich selbst so oft retten können, doch nicht ihn? Warum war sie von ihm getrennt, warum nicht bei ihm gewesen, als er in diese Gefahr geriet? Warum hatte sie ihm nicht helfen können, als er von dicken Tentakeln umschlungen, schreiend in die bodenlose Tiefe eines verfluchten Tümpels gezerrt worden war? Sie hatte ihn geliebt!
11.
LEBEN
Die Rote Sonja saß lange am Rand der Erhebung, in tiefer Trauer, erinnerungsversunken, mit schmerzenden Muskeln und ihrem blutigen Schwert. Hinter ihr saßen die Überlebenden an ihren Feuern: Som, Allas, Tias und höchstens noch dreißig weitere.
Die gespenstische Schlacht war lange schon vorbei. Die Sumpfungeheuer hatten sich unmittelbar nach Olins Tod verzogen. Ihr Zweck war erfüllt. Hunderte von verstümmelten Leichen lagen überall im Sumpfland – Suthads Soldaten und die Söldner im Tod vereint zwischen den abgehackten Teilen der durch Zauber beseelten Pflanzen-, aber auch Tierungeheuer.
Som stellte sich vor Sonja. »Kommt mit, Sonja«, sagte er ruhig.
Tief seufzend blickte sie zu ihm hoch, dann stand sie auf. Som bot ihr seinen Arm, doch sie nahm ihn nicht. Sie schob ihr Schwert in die Hülle zurück und folgte Som, um sich neben ihm an sein Feuer zu setzen. Es gab nichts zu essen, nichts zu trinken, alles war in der Schlacht verloren gegangen.
»Ein paar Männer kochen Wasser«,
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