Der Ring von Ikribu
Zauberei?«
Olins graue Augen hielten ihre fest. »Ja«, antwortete er grimmig. Seine Stimme zitterte, doch nicht vor Furcht, sondern von einer Übelkeit, die geradewegs aus seinem Herzen zu kommen schien. »Sie flogen aus dem Norden herbei –’ von dort, wo Suthad liegt. Und sie sind nicht völlig nichtmenschlich.«
Diese Tatsache hatte Sonja bereits selbst erkannt, und nun fragte sie entsetzt: »Wollt Ihr damit sagen, dass sie einmal Menschen gewesen waren?«
Pelides nickte. Olin deutete mit der Schwertspitze auf einen blutbefleckten Bronzeharnisch und auf das eingehämmerte Wappen. »All diese Männer gehörten meiner Leibgarde an! Sie verteidigten den Palast und gerieten in eine Falle, als meine Männer und ich in die Flucht getrieben wurden.«
»Dann hat Asroth …«
»… sie verwandelt«, beendete Pelides ihren Satz. Grabestief klang seine Stimme durch die eiserne Maske. »Und durch Vorspiegelung erschien uns ihre Zahl größer als sie tatsächlich war. Nekromantie, Hyrkanierin.«
Sonja starrte entsetzt auf die Leichen, während Lord Olin mit finsterem Gesicht davonschritt.
Weitere Söldner trafen kurz vor Sonnenuntergang ein, während Olins Männer dabei waren, die Leichen wegzuschaffen. Olin begrüßte die neuen Soldaten und bedankte sich bei seinen Werbern, dass sie so viele neue Kameraden mitgebracht hatten. Dann erklärte er allen, was am Nachmittag geschehen war. In der Abenddämmerung, als die Männer Kochfeuer anzündeten, rief Olin seine Offiziere und Werber zu sich, um ihnen mitzuteilen, dass sie am Morgen gegen Asroth marschieren würden.
Und während Olin und seine Offiziere auf der Hügelkuppe Besprechung abhielten, brieten seine Soldaten und Söldner unten auf der Wiese Fleisch, tranken Wein und Bier und hielten ihre eigene Besprechung ab. Die Söldner hatten genug. Sie hatten am Nachmittag erlebt, was es bedeutet, gegen Zauberei zu kämpfen. Und viele von ihnen wollten nicht mehr in einen Krieg gegen gespenstische Armeen und unheimlichen Wind ziehen. Lord Olins Soldaten erinnerten sie verächtlich, wie leicht ein einziger vier und mehr der Geflügelten hatte besiegen können. Auch sie hatten diese verwandelten Wesen als Lord Olins Leibgardisten erkannt und verbreiteten nun, dass Asroths Zauber gar nicht so mächtig waren, sondern ihre Stärke darin lag, Furcht zu erregen. Was hatten sie schon von Unwettern und ein paar geflügelten Untoten zu befürchten? Wenn Asroths Zauberkräfte wirklich so gewaltig wären, warum ließ er dann nicht die Erde unter ihrem Lager erbeben oder tötete sie alle auf einmal, während sie hier saßen und sich an ihrem Abendessen gütlich taten?
Die Neuankömmlinge – die mehreren hundert Reiter, die am Spätnachmittag angekommen waren – wirkten verunsichert und unentschlossen. Sie. stellten Fragen und hörten sich Antworten und Berichte über die überstandene Schlacht an.
»Ich will nichts mehr davon wissen«, brummte ein stämmiger Bursche. »Ich habe mein Schwert für viele Feldzüge verkauft, aber ich möchte nicht mit eines Hexers Fluch auf mir sterben.«
»Dann bist du ein Feigling«, sagte einer von Olins Soldaten. »Wenn dein Schwert tüchtig ist, warum kann es dann nicht auch gegen Zauberei kämpfen, statt nutzlos zu blitzen? Du bist doch heute auch nicht davongelaufen. Es sind deine eigenen Gedanken, die dir Angst einjagen! Aber jetzt, bei unserer Zahl und nach unserem ersten Sieg über ihn, können wir gegen den Zauberer vorgehen und ihn vernichten!«
Die neuen Rekruten waren immer noch geteilter Ansicht. Einige, denen Schlachten neu und zauberbeeinflußte Kämpfe fremd waren, drängte es danach, ihre Klingen einzusetzen. Andere, die die Ansichten der verstörten, noch blutigen Söldner hörten, wurden von ihrer Angst vor Zauberei angesteckt.
Keine Zweifel bedrohten Lord Olins Standhaftigkeit. Als die Lagerfeuer flackerten und die Sterne aufgingen, teilte er seine Offiziere für das ein, was sie in dem eineinhalb Tagesritte entfernten Suthad erwarten mochte. Zwanzig Mann waren um ihn, alles harte, kampferprobte Führer – Hauptmänner und Generale –, unter ihnen auch Herzog Pelides in seinem gesichtverbergenden Eisenhelm. Sonja, die das Kommende interessierte, war ebenfalls geblieben und stand etwas abseits hinter den Versammelten, und Olin erhob keine Einwände gegen ihre Anwesenheit.
»Asroth wird uns erwarten«, sagte er. »Er hat uns bereits Zauberei entgegengeschickt. Wir schlugen seinen Angriff jedoch zurück, trotzten seinen
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