0746 - Merlins Zauberbrunnen
Eiskalter Wind wehte über die Ebene, auf der sich das Mosaik des Todes befand. Ein etwas mehr als sechs Fuß großer Mann in nachtschwarzer Kleidung, den man als gut aussehenden Mittvierziger eingestuft hätte, materialisierte auf dem obersten Vorsprung des Wachtfelsens, von dem aus sich das Land kilometerweit überblicken ließ. Das dunkle Haar trug er glatt nach hinten gekämmt und in einem kurzen Zopf endend, der von einem schwarzen Lederriemen zusammengehalten wurde. Das Gesicht des Mannes wurde dominiert von tiefschwarzen Augen, die alles Licht zu schlucken schienen, und von dichten Augenbrauen, die wie zwei Bürsten aussahen. Schmale, zu einem überheblichen Lächeln verzogene Lippen und eine etwas zu groß geratene Adlernase rundeten den düsteren Eindruck ab.
Dieser Mann war einst Fürst der Finsternis gewesen. Er hatte länger auf dem Höllenthron gesessen, als jeder andere vor oder nach ihm. Damals nannte er sich Asmodis… Aber diesen Namen hatte er schon vor vielen Jahren abgelegt.
Langsam und nachdenklich blickte Sid Amos - so nannte sich der ehemalige Höllenfürst nach seiner Abdankung - über den verbrannten Boden des ehemaligen Schlundes. So nannten die Caltaren, die Bewohner des Planeten K'oandar, die gefährlichste Stelle ihrer Welt. Nichts erinnerte mehr daran, dass hier noch vor wenigen Wochen eine Katastrophe gewütet hatte, das dieser Welt innerhalb kurzer Zeit Tod und Vernichtung gebracht hätte.
Damals sah diese Stelle wie ein riesiges Loch aus, das mehrere Kilometer Durchmesser besaß und von oben an einen Krater erinnerte. Die Tiefe dieses Loches betrug etwa 500 Meter, an manchen Stellen mehr, an anderen weniger. Vor diesem Loch stand eine geschwungene Mauer von etwa
25 Metern Länge und 4 Metern Höhe, die aus tausenden über- und nebeneinander gestapelten Seelen-Tränen bestand. Dies war die Mauer der Schmerzen. Wenn ein Magiekundiger auf K'oandar starb, so versuchte er, seine Zauberkraft für die Nachwelt zu erhalten. Die Zauberin D'Hala war die erste, der es vor vielen Jahren gelang, nach ihrem Ableben Magie zu hinterlassen. Seitdem trugen die Tränen ihren Namen. Zwischen jedem einzelnen Exemplar lagen als Schutz dicke Stoffbahnen. D'Halas Seelen-Tränen leuchteten dabei in den verschiedensten Pastelltönen.
Amos war über eine Regenbogenblumenverbindung aus Caermardhin, der Burg seines Bruders Merlin Ambrosius, auf den viele Lichtjahre von der Erde entfernten Planeten K'oandar gekommen. Auf dem Hochland von B’oran befand sich eine Gegenstation caltarischer Transportblumen. Nach einer magischen Manipulation der caltarischen Hexe Seanzaara bestand keine Verbindung mehr zwischen Zamorras Schloss Château Montagne und K'oandar. Nur die Verbindung zu Merlins Burg Caermardhin und eine Notverbindung nach Broceliande existierten noch. Die Entfernung von B'oran bis zur Mauer der Schmerzen hatte Amos mit einem Teleport-Sprung überbrückt. Wie üblich ließ er dabei am Ausgangsort eine übel riechende Schwefelwolke hinter sich zurück.
Sid Amos fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Obwohl er mit einem solchen Ausblick hatte rechnen müssen, war er doch erstaunt. Während er so dastand, hatte seine ganze Figur etwas von einer gespannten Bogensehne, die schon im nächsten Augenblick losschnellen konnte.
Selbst im Ruhezustand wirkte er gefährlich.
Wie viel hatte sich in der kurzen Zeit, seit er das letzte Mal hier weilte, verändert! Es war unglaublich, dass K'oandar noch vor kurzer Zeit am Rande des Verderbens gestanden hatte. Die Schuld daran trug eine Para-Sekte, die vor vielen Jahren mit Magie experimentiert hatte. Aus Gründen, die die Nachfahren der damaligen Zauberer nicht mehr nachzuvollziehen in der Lage waren, wurde bei diesem Experiment Magie gespiegelt. Das hatte den Effekt, dass die Stelle, an der das Experiment stattfand - Schlund genannt -, einem Auflösungsvorgang unterlag, der bis vor etwas mehr als vier Monaten nicht gestoppt werden konnte [1]
Zu dieser Zeit weilte Sid Amos mit Professor Zamorra, dessen Gefährtin Nicole Duval sowie der Silbermond-Druidin Teri Rheken und dem geheimnisvollen ehemaligen Silbermond-Druiden Luc Avenge auf K'oandar. Mittels der Kraft ihrer Dhyarra-Kristalle konnten sie den Caltaren, den humanoiden Bewohnern K'oandars, helfen, ihre Welt zu retten. Dhyarras waren blau funkelnde Kristalle, mit ungeheurer magischer Kraft, die nur von Personen mit entsprechendem Para-Potenzial benutzt werden konnten.
Amos verzog das Gesicht, als er an
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