Der Ring von Ikribu
haben noch die neuen Rekruten«, sagte Pelides gedämpft zu ihm, »aber sie sind durch die Geschehnisse beunruhigt.«
»Das war zu befürchten«, brummte Olin. »Zweifellos werden noch mehr dieser Wackeren die Beine in die Hand nehmen, wenn sie eine Kostprobe von echtem Kampf bekommen. Was sind das nur für Feiglinge!«
Er trat ins Zelt.
Sonja blieb stehen, wo sie war, und blickte Pelides nach, der sich vermutlich für die Nacht zurückzog. Langsam ließ die Spannung im Lager nach, und Sonja überlegte, wo sie sich zur Ruhe legen könnte. Ihr Pferd war weiter unten am Hang angebunden, an einem hohen Baum, der von Dickicht umgeben war. Auch sie selbst zog es vor, zwischen Bäumen zu schlafen, wenn sie die Gelegenheit dazu hatte.
Sie entfernte sich von den Zelten der Offiziere und spürte, wie die frische Nacht ihr neue Ruhe schenkte. Es war eine angenehme Nacht. Eine leichte Brise wehte, Nachtvögel heulten, und Grillen zirpten. Unten auf der Wiese saßen die Männer in kleinen Gruppen um die Feuer, unterhielten sich oder sangen. Sonja schaute zu den glitzernden Sternen hoch, empfand ihre Abgeschiedenheit, ihre Erdenferne und die Gewaltigkeit des Firmaments fast körperlich. Und während sie den Himmel und das mit kleinen Feuern übersäte Lager betrachtete, schweifte ihr Blick nach Süden. Weit draußen in der endlos scheinenden Ebene, so fern, dass sie am dunstigen Horizont fast verloren wirkten, entdeckte sie gelbe Lichter – weitere Lagerfeuer.
Söldner?
»Sonja?«
Geschmeidig wie eine Katze drehte sie sich flink um. Allas kam auf sie zu, am Arm Tias.
Allas grinste ihr entgegen. »Eine schöne Nacht, Sonja, nicht wahr?«
»Ja.«
»Was sagt Ihr dazu, dass die Feiglinge uns im Stich gelassen haben?«
Sonja antwortete nicht darauf, sondern deutete südwärts. »Schau, Allas! Siehst du die Lichter?«
Er legte die Hand abschirmend über die Augen, als müsste er sie vor blendender Sonne schützen. »Lagerfeuer«, sagte er nachdenklich.
»Wer könnte es sein?«
»Die Söldner möglicherweise. Oder eine Karawane.«
Die Antwort befriedigte Sonja nicht. »Nein. Nein, aus irgendeinem Grund glaube ich …«
Nahende Schritte unterbrachen sie. Sonja sah Pelides’ Maske wie ein schwarzes Loch im Sternenschein gespenstisch auf der umhangumhüllten Gestalt.
»Genießt ihr die Nacht?« fragte er. »Oder besprecht ihr Strategien?« Er schien zu lachen, aber es klang seltsam hohl aus dem Helm.
»Seht dort, Pelides!« forderte Allas ihn auf. »Am Südhorizont brennen Lichter.«
Pelides warf nur einen flüchtigen Blick in diese Richtung. »Was macht es schon aus?« entgegnete er kurz.
»Sonja hält es für wichtig.«
»Und was glaubt Sonja, was es ist?« fragte Pelides nicht sie, sondern Allas.
Sonja blickte Pelides durchdringend an und schwieg genau wie Allas. Wortlos ging der Herzog weiter.
Allas blickte ihm kopfschüttelnd nach. »Ein seltsamer Mann«, murmelte er. »Ich wollte, ich könnte unter seine Maske sehen. Wie schrecklich kann es sein? Eine Maske kann nicht wirklich etwas verbergen, höchstens ein Gesicht.«
»Ja«, pflichtete Sonja ihm bei und dachte, dass Allas sich gut auszudrücken vermochte. »Ja, Allas. Und ich glaube, das ist alles, was er vor uns verstecken kann. Nur sein Gesicht. Der Rest wird zum Vorschein kommen.«
Wieder blickte sie in den Süden, dann wünschte sie Allas und Tias eine gute Nacht und ging zu dem Dickicht, wo ihr Pferd sie erwartete und sie Schlaf zu finden hoffte.
4.
IN SUTHAD
Olins Armee brach im Morgengrauen des nächsten Tages auf – viereinhalbtausend Mann, Soldaten und Söldner zusammengerechnet – nordwärts, nach Suthad. Der Morgen war strahlend und klar, so friedlich und erfrischend wie der vergangene gewesen war, ehe Sturmwolken und Zauberei über sie gekommen waren.
In dichten Reihen zogen die Truppen dahin, Olins Offiziere ihren Männern voraus, und die Söldnerführer – jene, die ihr Wort nicht gebrochen hatten – vor ihren buntgemischten Trupps. Som, dem nun zwei Schwerter vom Gürtel hingen, trabte neben Allas und Tias. Herzog Pelides ritt links von Olin an der Spitze, und Sonja, auf Wunsch Olins, an seiner Rechten.
Som grinste. »Ich glaube, unserem Führer gefällt Sonja.«
Tias schaute ihn mit sichtlich gemischten Gefühlen an. Dann wischte sie sich eine vorwitzige Strähne aus dem Gesicht und warf einen Blick auf Allas. Er hatte Soms Bemerkung gehört. Fragend sah er Som an, dann grinste er ebenfalls.
»Ja«, sagte er. »Wer
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