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Der Ring von Ikribu

Titel: Der Ring von Ikribu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
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Haus, glaubte sie sich entfernenden Huf schlag zu hören.
    Sie. Die Söldner. Das Gesicht.
    Rothaar. Bluthaar. Flammenhaar.
    Sie hatte sich in halbversengte Decken gewickelt und war aus der Feuersbrunst getorkelt, wo einst ihr Zuhause gewesen war. Schwindelig war sie dahingelaufen, war gestolpert, getaumelt, als Feuerwälle sie zu umhüllen, würgender Rauch sie zu verschlingen suchte – als eine finstere Vielzahl von Gesichtern, alle grauenvoll, sie aus den Flammen und dem Rauch auszulachen schienen und sie erneut mit Schmutz und Atem und Augen und Händen und Schweiß und brennendem Schmerz und Hass niederziehen wollten.
    Doch dann hatte sie das Freie erreicht. Die Nacht war nicht kalt gewesen, aber rauchig und aschig und bitter vom Geruch versengter Leichen. Sie war gelaufen, gefallen, einmal, zweimal, und wieder auf die Füße gekommen. Und weiter war sie gerannt, bis die Flammen und die sengende Hitze weit hinter ihr lagen. Bis sie nicht mehr laufen konnte. Bis …
    Zwischen den Bäumen war sie wieder zu sich gekommen, zwischen den Trümmern des zerfallenen Bauwerks, wo sie als Kind so oft gespielt und geträumt, wo sie zu Göttern und Wesen ihrer eigenen Vorstellung gesprochen und gebetet hatte. Und dann hatte sie es gesehen. Etwas, das ihren ganzen Gesichtskreis mit blauem Licht erfüllte – nicht mit Flammen –, und einen Augenblick hatte sie befürchtet, es sei das Blitzen eines geschwungenen Schwertes. Sie hatte aufgesehen.
    Es war über ihr gewesen, hob sich von den Sternen ab. Eine schimmernde Gestalt. Eine Göttin. Eine Vision.
    Etwas.
    Angsterfüllt hatte sie sich zusammengekauert, und in jenem Moment verdrängte eisige Furcht vor dem Unbekannten ihre Schmerzen.
    Aber …
    »Du hast zutiefst gelitten, Sonja. Wisse nun, dass Leiden Stärke gebiert.«
    Ihre Furcht hatte sich ein wenig gelegt. Ein Glanz und Summen war über ihr in der Luft. Was war es? Was konnte es sein – ein dem Wahnsinn entsprungenes Trugbild? War sie in dem Feuer gestorben – stand sie ihrem eigenen Geist gegenüber? Konnte es ein Gott sein?
    »Diese Stärke ist deine eigene, Sonja, und sie war immer in dir. Doch jetzt erst ist sie erwacht.«
    Es musste ein Gott sein! Wer sonst könnte ihr auf so wundersame Weise erscheinen? Es war weder Frau noch Mann, und hatte doch die Stärke und Schönheit von beiden. Und während diese Erscheinung zu ihr sprach, hatte Sonja sanfte Musik und dröhnenden Donner gehört.
    »Wenn du es so willst, Sonja, kannst du die Welt zu deinem Zuhause machen. Du kannst eine Wanderin werden, Sonja, allen Männern und Frauen, denen du begegnest, ebenbürtig.«
    Ein Gott – oder sie selbst? Es schien ihr nun, als entzünde diese Vision, ob menschlich und mehr als menschlich, männlich oder weiblich, ein Seelenlicht in ihrer eigenen Brust, genau wie sie die Nacht ringsum in blauem Schein zum Leuchten brachte.
    »Doch zuvor musst du mir einen Schwur leisten, Sonja. Du darfst dich nie wieder von einem Mann besitzen lassen …«
    Sonjas Herz hatte heftig geklopft. Der Schmerz in ihr war neu erwacht. Diesen Eid würde sie gern leisten!
    »… außer er besiegt dich in fairem Kampf …«
    Ja, das würde sie schwören! Grimm und Rachedurst hatten sich in ihr geregt.
    »… etwas, das nach diesem Tag keinem Mann so leicht mehr gelingen wird!«
    Sie würde diesen Eid ablegen!
    Die Erscheinung war näher gekommen, das blaue Licht hatte Sonja eingehüllt, und kalter Schweiß war ihr über die Stirn geronnen, aus Furcht und Staunen.
    »Schwörst du es, Sonja?«
    »Ja-ja!«
    Weshalb diese Furcht? Sie verließ sie, als sie zu dieser herrlichen Vision aufblickte. Dieser Gott war ein Geschenk. Der Schwur war ein Geschenk! Schien er nicht ihre eigenen, verzweifelten Träume zu erfüllen? Schien sie nicht eine heimliche Stimme – ihre eigene – tief in ihrem innersten Wesen zu hören, während sie in dieser finsteren Nacht vor dem leuchtenden Wesen kauerte, das sie mit Wärme und Stärke und Stolz füllte?
    »Ja! Von ganzem Herzen – mit ganzer Seele – schwöre ich es!«
    Wie alt war sie damals gewesen? Oder vielmehr, wie jung? Ein unmündiges Kind an der Grenze eines wilden, schonungslosen Landes, an der Grenze eines wilden, schonungslosen Schicksals?
    Die Erscheinung hatte sich zu ihr hinuntergebeugt, und einen Augenblick hatte Sonja ein schimmerndes Eis gespürt, ein flackerndes Feuer, das tief durch ihr innerstes Wesen rann, als die Klinge der Erscheinung sie berührte, sie auf die Schulter schlug. Und die Welt war

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