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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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Schwarmenten waren intelligenter als einzelne Enten, Nutztiere pflügten selbstständig. Für uns war das alles ganz normal, doch anderswo waren Mother Redds Kreationen alles andere als normal. Aber das würde sich ändern – eines Tages würden sie die ganze Erde bevölkern. Mother Redd und ihre Kollegen, beispielsweise Colonel Krypicz, arbeiteten auf eine ineinander verschlungene Fauna hin, auf ein müheloses Zusammenspiel aller Spezies. Das war ihr Traum, nicht unserer. Wir waren zwar auf der Farm aufgewachsen, wir hatten zwar jeden Sommer hier verbracht, aber wir hatten ein anderes Ziel: Wir wollten durch das Rift reisen und das Weltall erforschen.
    Jetzt schwammen wir ans Ufer und ließen unsere nackten Körper in der Nachmittagssonne trocknen. Manuel schwang sich auf einen Apfelbaum und pflückte reife Äpfel für alle. Bevor wir zur Farm zurückmussten, konnten wir uns noch ein bisschen ausruhen.
    Strom ballte ein paar Erinnerungen an diese Momente zusammen. Für Moira.
    Plötzlich richtete sich Quant auf. Alle spürten ihre Erregung. Ein Haus, sandte sie. Früher war da kein Haus.
    Und schon war sie auf die Böschung geklettert, während ich ruhig abwartete, bis ihre Gedanken durch die von Blütenstaub geschwängerte schwüle Luft zu mir drifteten. Tatsächlich, auf der anderen Seite des Sees, direkt gegenüber vom Damm der Biber, stand ein kleines Landhaus. Zwischen den Pappeln, deren Blätter zu Boden segelten wie Schnee im Winter, war es kaum zu erkennen.
    Wann waren wir das letzte Mal hier gewesen? Ich kramte in unseren Erinnerungen – aber damals hatte keiner von uns in diese Richtung geschaut. Gut möglich, dass das Haus schon seit vorigem Jahr dort stand.
    Die Baskins haben sich ein Sommerhaus gebaut, meinte Strom.
    Manuel schüttelte den Kopf. Warum, wo sie doch nur einen Kilometer weiter wohnen?
    Vielleicht für Gäste, spekulierte ich.
    Quant wurde ungeduldig. Schauen wir doch mal nach!
    Niemand stimmte dagegen, alle waren Feuer und Flamme für ein kleines Abenteuer. Nur ich fragte mich, was Moira wohl zu diesem unerlaubten Ausflug sagen würde.
    Moira ist nicht hier!
    Auf dem Weg mussten wir einen kleinen Bach überqueren, der in den See strömte. Glücklicherweise konnten wir einfach von Stein zu Stein ans andere Ufer springen.
    Ein dünner Teppich aus weißen Blättern hatte sich über den Boden des Pappelwäldchens gelegt. Wir froren, die feuchte Kleidung klebte auf unserer Haut. Langsam tasteten wir uns vor, vorbei an fünfblättriger Gifteiche und dreiblättrigem Efeu.
    Vor der Tür, auf einem schmalen Grasflecken im Schatten der Bäume, parkte ein Aircar.
    Conojet 34J, sandte Manuel. Das Ding können wir fliegen. Erst letztes Jahr hatten wir unseren ersten Kurs im Lenken kleiner Flugobjekte belegt.
    An den Seitenmauern zogen sich lange Blumenbeete entlang, und ein Stückchen weiter hatte jemand eine rechteckige Fläche vom Unkraut befreit, um Gemüse anzubauen: Tomaten, Kürbisse, grüne Bohnen, die in der gleißenden Sonne wuchsen.
    »Das ist kein Ferienhäuschen«, sagte ich laut, da Quant gerade keinen Blickkontakt zum Pod hatte. »Hier wohnt jemand.«
    Manuel schlich um den Gemüsegarten herum, um das Aircar aus der Nähe zu begutachten. Ich spürte, wie er sich über das schnittige, kraftvolle Design freute – kein konkreter Gedanke, eher ein anerkennendes mentales Nicken.
    »Was habt ihr in meinem Garten zu suchen?«
    Mit einem Knall flog die Haustür auf, und ein Mann eilte auf uns zu. Wir zuckten zusammen.
    Reflexartig ging Strom in Verteidigungsposition, setzte einen Fuß zurück und zertrat dabei eine Tomatenpflanze. Als ich ihn darauf aufmerksam machte, korrigierte er seine Fußstellung sofort, aber der Mann hatte es schon gesehen. Auf seiner Stirn bildete sich eine tiefe Zornesfalte. »Was zum Teufel …?«
    Wir stellten uns vor ihm auf – ich ganz vorne, Strom leicht hinter mir zu meiner Linken, Quant und Manuel hinter ihm. Eigentlich hätte Moira rechts von mir stehen müssen.
    »Für wen haltet ihr euch eigentlich? Kommt hierher und zermanscht meine Pflanzen!«
    Ich musterte ihn genauer: ein junger schwarzhaariger Mann in braunem Hemd und hellbrauner Hose. Mit seinem feingliedrigen Knochenbau wirkte er beinahe zerbrechlich. Zuerst hielt ich ihn für das Interface seines Pods – bis uns auffiel, dass er weder Pads an den Handgelenken noch Pheromondrüsen am Hals hatte, also keinen Konsens suchen musste, bevor er handelte. Er hatte schon drei Sätze gesagt, ehe wir ein

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