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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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einziges Wort herausgebracht hatten.
    »Es tut uns leid, dass wir Ihre Pflanze zertreten haben«, erwiderte ich und unterdrückte den Drang, einen beschwichtigenden Duft zu verströmen. Bei einem Singleton hätte das nichts gebracht.
    Sein Blick wanderte von mir zur Tomatenpflanze und wieder zurück. »Ach, ihr seid ein beschissener Schwarm, was? Ich dachte immer, die würden euch zumindest die grundlegenden Verhaltensregeln einprogrammieren. Egal, schert euch zum Teufel!«
    Quant wollte etwas einwenden; immerhin befanden wir uns nicht auf seinem Land, sondern auf dem Land der Baskins. Aber ich lächelte entschuldigend und nickte. »Wie gesagt, es tut uns leid. Wir werden jetzt gehen.«
    Er ließ uns nicht aus den Augen, während wir langsam zurückwichen. Das heißt, er ließ mich nicht aus den Augen. Sein dunkler Blick ruhte nur auf mir, und ich spürte, wie er durch mein Gesicht hindurchsah, wie er Dinge sah, die nicht für ihn bestimmt waren. Das Blut schoss mir ins Gesicht, trotz des kühlen Schattens war mir auf einmal heiß. Sein Starren hatte etwas Sexuelles, und meine Reaktion …
    Ich versuchte, meine Gefühle tief in meinem Inneren zu vergraben, aber der Pod hatte schon einen Hauch davon aufgefangen. Obwohl ich mich mit aller Kraft abschottete, roch ich Manuels und Quants Vorwürfe.
    Als ich in den Wald floh, konnten die anderen gar nicht anders, als mir zu folgen.
     
    Die unterschwellige Wut des Pods mischte sich mit meinen eigenen Schuldgefühlen. Am liebsten hätte ich mich gewehrt, geschrien und geflucht. Ob einzeln oder als Ganzes sind wir sexuelle Wesen, und trotzdem behandelten sie mich wie eine Aussätzige. Ich wusste nicht, ob Mother Redd etwas davon mitbekam; wenn ja, sagte keine von ihr einen Ton.
    Irgendwann ging ich rauf zu Moira.
    »Bleib an der Tür«, hustete sie mir entgegen.
    Ich setzte mich auf einen Stuhl am Eingang, wo es nicht ganz so stark nach Hühnerbrühe und Schweiß roch. Wir waren zwar mit genkonstruierten Antikörpern gegen Cholera und Hepatitis ausgestattet, aber wer sich den Rhinovirus eingefangen hatte, musste sich nach wie vor auf Bettruhe und Taschentücher verlassen.
    Moira und ich waren die einzigen eineiigen Zwillinge in unserem Pod. Äußerlich ähnelten wir einander allerdings kaum noch – sie trug ihr kastanienbraunes Haar kurz, ich meines schulterlang. Außerdem war sie neun Kilo schwerer, ihre Gesichtszüge waren voller, weniger scharf geschnitten als meine. Auf den ersten Blick hätte man uns wahrscheinlich eher für Cousinen gehalten.
    Sie stützte sich auf die Ellbogen und betrachtete mich forschend, bevor sie sich wieder aufs Kopfkissen fallen ließ. »Was ist los?«
    Eine Berührung am Handgelenk, und sie hätte die komplette Geschichte gewusst, aber sie ließ mich ja nicht an sich heran. Auch über Pheromone hätte ich ihr mein Erlebnis schildern können, wenn auch nur in groben Zügen. Aber ich war mir gar nicht so sicher, ob ich ihr wirklich die ganze Wahrheit sagen wollte.
    »Wir haben heute einen Singleton kennengelernt«, sagte ich.
    »Du meine Güte.«
    Worte sind unglaublich vage. Ohne Einblick in ihre Gedankenwelt hatte ich keine Ahnung, was Moira wirklich empfand, ob ihre Antwort zynisch oder aufrichtig, interessiert oder gleichgültig gemeint war.
    »Drüben beim See der Baskins. Wir haben sein Haus entdeckt, ein kleines Landhaus.« Ich fing an, eine sensorische Beschreibung zu basteln, gab es aber bald wieder auf. »Das ist so mühsam. Warum kann ich dich nicht einfach berühren? Nur ganz kurz?«
    »Das fehlt uns gerade noch. Erst ich, dann du, dann alle anderen, und wenn wir demnächst das Praktikum antreten müssen, liegen wir alle krank im Bett. Das können wir uns nicht leisten.« Moira hielt inne und nickte. »Ein Singleton also. Was für einer denn? Ein Maschinenstürmer? Ein Christ?«
    »Weder noch. Er besitzt ein Aircar. Aber er war gleich ziemlich sauer auf uns, weil wir ihm eine Tomatenpflanze zertreten haben. Und er … er hat mich angeschaut.«
    »Das soll er ja auch. Du bist doch unser Interface.«
    »Nein, ich meine, er hat mich angeschaut. Wie ein Mann manchmal eine Frau anstarrt.«
    Moira schwieg ein paar Sekunden. »Verstehe. Und du …«
    Wieder schoss mir das Blut ins Gesicht. »Und ich bin rot geworden.«
    »Verstehe.« Moira schaute zur Decke. »Du weißt doch, dass wir sexuelle Wesen sind, sowohl individuell als auch als Ganzes …«
    »Spar dir die Belehrungen!« Moira konnte wirklich unglaublich altklug sein. Aber eines

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