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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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verwechselt hast?«
    Währenddessen hatten wir keine Sekunde bezweifelt, dass alles genau so geschehen war: Die Bären waren ein Pod, und Strom hatte sich über chemische Erinnerungen mit ihnen ausgetauscht. Doch die Soldaten hatten so hartnäckig nachgebohrt, dass wir irgendwann nur noch die Achseln zucken konnten. »Ja, vielleicht haben Sie Recht«, hatte unsere Standardantwort gelautet, bis wir endlich auf die Farm zurückkehren durften. Jetzt wollten wir nur noch wissen, wo wir unser Praktikum absolvieren würden.
    Neben den üblichen Kursen in Astrophysik und Weltraumwissenschaft erwartete uns im nächsten Halbjahr ein extraterrestrischer Arbeitseinsatz. In diesem Semester sollte angeblich die Entscheidung darüber fallen, wem man das Kommando über die Consensus zuteilen würde.
    Trotz der beinahe unerträglichen Spannung genossen wir die Sommermonate auf der Farm. Vormittags hatten wir zwar Unterricht, der aber nicht ganz so strikt durchgezogen wurde wie während des Schuljahrs im Institut. Dort mussten wir meist den ganzen Tag und den Großteil der Nacht lernen; geschlafen wurde schichtweise, damit drei oder vier immer am Ball bleiben konnten. Schon seit sechzehn Jahren, seit wir aus der Mingo-Krippe herausgewachsen waren, verbrachten wir den Sommer bei Mother Redd.
    Inzwischen hatten wir die Baker Road erreicht. Im Westen ging es Richtung Worthington und weiter zum Institut, im Osten zu anderen Farmen, zum See und zum Wald. Dahinter lagen die Ruinen und das Ödland. Wir entschieden uns für den Osten. Wie immer, wenn wir freies Feld betraten, ging Strom voraus, während Manuel hinter ihm hin und her huschte, jedoch stets in Sichtweite blieb. Ich folgte dicht auf Strom, und Quant bildete ausnahmsweise den Abschluss; im Normalfall kam hinter ihr noch Moira. Ihre Abwesenheit riss eine Lücke, die Quant und ich überbrückten, indem wir andauernd Händchen hielten.
    Selbst nach einem guten Kilometer spürten wir noch die Leerstelle, die Moira hinterlassen hatte, auch wenn wir uns mittlerweile einigermaßen entspannt hatten. Quant hatte eine eigene Art gefunden, sich abzulenken: Mit Steinen und Asphaltbrocken, die sie am abbröckelnden Straßenrand aufklaubte, feuerte sie auf die Spitzen der alten Telefonmasten. Wenn sie ihre Geschosse in den Himmel schickte, wirbelten ihre blonden Haare herum wie bei einer olympischen Kugelstoßerin mit Pferdeschwanz. Sie traf jedes Mal, aber das sollte sie auch, da es sich letztendlich um ein einfaches One-Force-Problem handelte. Für Quant war das Ganze auch kein Training, sondern ein simpler Zeitvertreib. Leider gab es so wenig Quintette, dass wir nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen durften; erst vor einem Jahr hatte man Quartette zugelassen. Aber wir hatten auch gar kein Bedürfnis, bei der Olympiade mitzumachen. Wir wollten weg von der Erde, und zwar möglichst schnell.
    Am Straßenrand, verborgen in einem kleinen Kiefernwäldchen, stand eine Mikrowellen-Empfangsstation. Die Sonne spiegelte sich in der Paraboloidschüssel, die den vom Ring ausgesandten Mikrowellenstrahl einfing. Überall auf der Erde befanden sich solche Stationen, die jeweils ein paar Megawatt zur Energieversorgung der Menschheit beisteuerten. Heutzutage, nach dem Exodus, brauchten wir eigentlich gar nicht mehr so viel Strom, aber die Community hatte den Ring nun mal intakt zurückgelassen, genau wie die Solaranlagen und die Schüsseln. Jahrzehnte waren seitdem vergangen, und sie funktionierten immer noch.
    Selbst an diesem hellen Morgen war der Ring deutlich zu erkennen, ein blasser Bogen, der sich von Horizont zu Horizont spannte. Nachts, wenn er stärker leuchtete, lastete er noch schwerer auf den Zurückgebliebenen. In den Bergen war er uns unglaublich nah vorgekommen, als müssten wir nur die Hände ausstrecken, um uns hochzuziehen und rittlings daraufzusetzen. Was natürlich ein absurder Gedanke war. Kein Pod hatte je den Ring oder eine seiner irdischen Basen betreten. Deren Türen öffneten sich nur für Mitglieder der Community.
    Jetzt fing Quant an, dünne Zweige in den Mikrowellenstrahl zu schleudern. Kaum hatten sie ihn berührt, verwandelten sie sich in flammende Meteoriten, die kurz darauf zu Asche zerfielen. Sie bückte sich nach einer kleinen Kröte.
    Da ich spürte, dass ich für Moira einspringen musste, legte ich ihr eine Hand auf die Schulter. Nichts Lebendiges.
    Einen Moment lang schlugen mir Ärger und Wut entgegen, dann zuckte sie mental und physisch mit den Schultern. Ja, sie

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