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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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schenkte mir sogar ein kleines Lächeln, weil sie merkte, wie ungern ich Moiras Rolle übernahm. In Quants Gehirn waren sämtliche Newton’schen Gesetze über Kraft und Gravitation eingebrannt, aber sie hatte auch eine teuflische Ader. Sie war unsere teuflische Ader, unsere Rebellin. Dabei sah sie eigentlich ganz harmlos aus, und wenn man ihr allein begegnet wäre, ohne den Pod, hätte man auch nichts davon mitbekommen.
     
    Auf Sabah Station hatten die Ausbilder uns Schüler einmal in Duos und Trios aufgeteilt. Auf dem Programm stand ein Hindernisparcours bei Schwerelosigkeit: Über eine Strecke von drei Kilometern sollten wir uns durch Drähte, Seile und fingierten Schrott schlagen. Gewinnen würden diejenigen, die zuerst das versteckte Zielobjekt, den MacGuffin, entdeckten. Alle anderen Teams waren Gegner, auch unsere eigenen Podpartner. Sonst gab es keine Regeln.
    Damals waren Spiele ohne Regeln noch die große Ausnahme, denn mit unseren zwölf Jahren waren wir noch sehr jung. Meistens gab es eine ganze Latte von Vorschriften, aber dieses eine Mal war es anders.
    Strom, Manuel und Quant hatten Glück; durch puren Zufall entdeckten sie den MacGuffin als Erste. Aber sie nahmen ihn nicht einfach an sich und ließen sich als Sieger feiern, nein, sie versteckten sich, inszenierten Hinterhalte und installierten Null-G-Fallgruben. Auf diese Weise gelang es ihnen, vier andere Teams festzusetzen oder kampfunfähig zu machen. Die Folge waren drei gebrochene Arme und ein gebrochenes Bein, außerdem zwei Gehirnerschütterungen, siebzehn Prellungen und drei Platzwunden. Ihre gefesselten Opfer verstauten sie in der halbverfallenen Hütte, in der sie den MacGuffin gefunden hatten.
    Irgendwann hatten auch wir es geschafft. Als wir uns der Hütte näherten, sauste eine Fiberglasstange knapp über unsere Köpfe hinweg, so dass Moira und ich in Deckung hechten mussten. Gleichzeitig hörten wir ihr Lachen. Natürlich wussten wir sofort, wer es war. Die Distanz war zwar ziemlich groß, aber wir rochen den Nachhall ihrer Gefühle: ein herausfordernder Stolz.
    »Kommt sofort da raus, verdammt nochmal!«, schrie Moira.
    Augenblicklich tauchte Strom auf. Ganz egal, was irgendwer sonst sagte, er folgte Moira aufs Wort. Im nächsten Moment kam Manuel aus der Hütte.
    »Quant!«
    »Vergiss es!«, ertönte ihre Stimme aus dem Inneren. »Ich hab gewonnen.« Im selben Moment flog der MacGuffin aus dem offenen Fenster.
    Moira fing ihn auf. »Was soll das heißen, ›ich‹?«
    Quant steckte den Kopf aus der Tür. Ihr Blick wanderte vom einen zum anderen, bevor sie ein Zeichen machte: Sorry. Dann schoss sie zu uns herüber, damit wir Erinnerungen austauschen konnten.
    Es war das erste und einzige Mal, dass uns die Lehrer so aufteilten.
     
    Wie ein großes C bog sich die Baker Road um Lake Cabbage, eine kleine Ökommune mit streng kontrollierten, genkonstruierten Bewohnern. Zwei Duos der ersten Generation, die Baskins, hatten die Leitung inne; unter Führung des Umweltministeriums versuchten sie, ein lebensfähiges SeeÖkosystem mit einer Biomasse von fünfundzwanzig Brigs zu erschaffen. Hier gab es alles, von Bibern über Schnecken bis zu Moskitos. Vor allem Moskitos.
    Die erwachsenen Biber kümmerten sich nicht um uns, als wir uns im Wasser vergnügten, aber die Kleinen fanden uns unwiderstehlich. Es handelte sich um biogenetisch herbeigeführte Quartettgeburten; ihre Gedanken glitten so schwerelos wie Regenbogen über die Wasseroberfläche. Fast konnten wir sie verstehen, aber nur fast. Im Wasser brachten Pheromone nichts, selbst über unsere Pads konnten wir uns kaum verständlich machen. Wir mussten nur die Augen schließen und uns ein Stückchen in die Tiefe sinken lassen, und schon war es so, als wären wir vollkommen isoliert und nur noch leeres Protoplasma, dem jeder Gedanke fremd ist.
    Strom war kein großer Schwimmer, aber wenn wir schwimmen gingen, kam er immer mit. Er wollte bei uns sein, auch wenn er sich dabei nicht wohlfühlte. Und obwohl ich wusste, warum er sich fürchtete, obwohl seine Angst auch meine Angst war, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, mich ein bisschen über uns lustig zu machen. Was waren wir doch für Angsthasen!
    Die kleinen Biber und wir zogen abwechselnd abgestorbene Äste ins Wasser und versuchten, sie zu versenken, bis uns die erwachsenen Biber mit rudimentären Gesten zur Ordnung riefen. Weiterarbeiten! Ihr macht Zuhause kaputt. Sagen es Mother Redd.
    Biber kommunizierten in Zeichensprache,

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