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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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sekundenschneller Konsens. Morgen.
     
    Diesmal schlichen wir uns nicht an, sondern klopften an die Tür. Die Tomatenpflanze, die wir zertreten hatten, hatte Malcolm Leto notdürftig mit einem Stock geschient.
    Keine Reaktion.
    »Das Aircar ist noch da.«
    Das Landhaus war nicht besonders groß. Er konnte unser Klopfen unmöglich überhört haben.
    »Vielleicht macht er gerade einen Spaziergang«, überlegte ich. Wieder waren wir ohne Moira unterwegs, obwohl es ihr schon besserging.
    »Vielleicht hier?« Strom deutete auf eine Stelle am Ende der aufgereihten Tomatenpflanzen, klappte seinen kleinen Spaten aus und fing an, ein Loch zu graben.
    Währenddessen holte ich einen Block aus dem Rucksack, um eine Nachricht an Malcolm Leto zu schreiben. Fünfmal fing ich an, riss das Blatt nach ein paar Zeilen ab, zerknüllte es und stopfte es in die Tasche. Am Schluss begnügte ich mich mit: »Tut uns leid, dass wir Ihre Pflanze zertreten haben. Wir haben Ihnen eine neue gebracht.«
    Ein lauter Knall. Instinktiv ließ ich mich auf die Knie fallen und wirbelte herum. Zettel und Stift rutschten mir aus den Fingern, Kampf-oder-Flucht-Pheromone füllten die Luft.
    Ein Schuss.
    Da. Der Singleton. Er ist bewaffnet.
    Ein Warnschuss.
    Ich sehe ihn.
    Entwaffnen!
    Das Kommando kam von Strom, der in kritischen Situationen stets sofort die Führung übernahm. Er warf den Spaten nach rechts, Quant fing ihn auf und feuerte ihn aus dem Handgelenk ab.
    Malcolm Leto stand im Schatten der Pappeln, die Pistole in die Luft gereckt. Ihr Lauf rauchte noch. Einen Sekundenbruchteil später knallte der Spaten gegen seine Finger und schlug ihm die Waffe aus der Hand.
    »Verdammte Scheiße!«, brüllte er, sprang auf und ab und hielt sich die Knöchel. »Scheiß Schwarm!«
    Langsam und vorsichtig näherten wir uns. Ich ging voraus, Strom ließ sich zurückfallen.
    Leto musterte uns kritisch und warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Pistole, wagte aber nicht, sie aufzuheben. »Habt ihr vor, noch mehr Tomatenpflanzen zu zerstören, oder was wollt ihr von mir?«
    Ich lächelte. »Nein, Mr. Leto. Wir wollten uns nur bei Ihnen entschuldigen, wie es unter guten Nachbarn üblich ist. Eigentlich hatten wir auch nicht damit gerechnet, erschossen zu werden.«
    »Ihr hättet ja auch Diebe sein können!«
    »Hier gibt es keine Diebe. Da müssen Sie schon in die Christen-Enklaven gehen.«
    Er rieb sich noch immer die Finger, aber jetzt grinste er schief. »Hast Recht. Mann, mit euch ist wirklich nicht zu spaßen, wie?«
    Strom stupste mich mental an.
    »Wir haben Ihnen eine neue Tomatenpflanze mitgebracht«, sagte ich. »Als Ersatz für die, die wir zertreten haben.«
    »Ach ja? Okay, tut mir leid, dass ich euch erschreckt habe.« Er blickte vom Haus zu mir. »Darf ich jetzt meine Pistole aufheben? Oder bekomme ich dann wieder eine Schaufel auf die Finger?«
    »Solange wir nicht wieder in Deckung gehen müssen.« Dafür, dass wir uns hier mit dem letzten Mitglied der Community unterhielten, war ich eigentlich ziemlich frech. Aber das schien ihm nichts auszumachen.
    »Abgemacht.« Er hob die Pistole auf und spazierte direkt durch unsere Mitte hindurch zur Haustür. Offensichtlich war ihm nicht klar, wie unhöflich es ist, einen anderen Menschen zu durchqueren; in seinen Augen waren wir alle einzelne Menschen, Individuen. Er hatte wirklich keine Ahnung. Im selben Moment entdeckte er die neue Tomatenpflanze am Ende der Reihe, wo die Erde frisch aufgeschichtet war. »Die hättet ihr besser am anderen Ende eingepflanzt.«
    Ich spürte, dass wir immer gereizter wurden. Dem Kerl konnte man wirklich nichts recht machen.
    Leto hielt inne und drehte sich um. »Ihr kennt meinen Namen. Also kennt ihr auch meine Geschichte?«
    »Nein. Wir wissen nur, dass Sie vom Ring stammen.«
    »Hm.« Er sah mich an. »Schätze, um der guten Nachbarschaft willen sollte ich euch hereinbitten. Also rein mit euch.«
    Hinter der Tür lag ein einziger großer Raum, an den ein enges Bad und eine kleine Kochnische grenzten. Am einen Ende der Couch, die anscheinend auch als Bett diente, stapelten sich zerknüllte Laken und Kissen.
    »Ist ja auf einmal richtig eng hier drinnen«, meinte Leto, legte die Pistole auf den Tisch und setzte sich auf einen der beiden Küchenstühle. »Leider kann ich euch nicht allen einen Platz anbieten. Aber ihr seid ja eh alle eins, oder?« Beim letzten Satz schnellten seine Augen zu mir.
    Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Nein, wir sind Individuen.

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