Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
Vom Netzwerk:
Aber wir funktionieren auch als Ganzes.«
    »Ja, ja, schon klar. Ein Schwarm halt.«
    Frag nach dem Ring. Frag, wie es im All ist.
    Er konzentrierte sich auf mich. »Setz dich doch. Mir scheint, du bist hier die Chefin.«
    »Ich bin das Interface«, erwiderte ich und streckte die Hand aus. »Wir sind Apollo Papadopulos.«
    Nach kurzem Zögern schüttelte er mir die Hand. »Und wer bist du im Speziellen?« Er hielt meine Hand fest, als wollte er sie nicht loslassen, bis ich die Frage beantwortet hatte.
    »Ich bin Meda. Und das sind Quant, Strom und Manuel.«
    »Schön, dich kennenzulernen, Meda.« Wieder spürte ich seinen Blick und versuchte mit aller Gewalt, meine körperliche Reaktion zu unterdrücken. »Und auch euch andere«, setzte er nach.
    »Sie stammen vom Ring«, sagte ich. »Also haben Sie zur Community gehört.«
    Leto seufzte. »Ja, stimmt.«
    »Wie war das? Wie ist es im All? Wir werden nämlich bald ein Raumschiff kommandieren.«
    Eine seiner Augenbrauen wanderte nach oben. »Wollt ihr die Geschichte wirklich hören?«
    »Ja.«
    »Na gut. Auch wenn ich sie noch niemandem erzählt habe. Zumindest nicht die ganze Geschichte.« Er machte eine kurze Pause. »Kommt euch das nicht auch ein bisschen komisch vor? Da quartieren sie mich hier am Ende der Welt ein – und rein zufällig wohnt nebenan einer ihrer Raumschiffschwärme?«
    »Na ja, schätzungsweise sind Sie als Prüfung gedacht, als Test für uns.« Mittlerweile hielten wir alles für einen Test.
    »Da könntest du sogar Recht haben. Bist ganz schön schlau für dein Alter. Also gut, meine Geschichte. Die Geschichte von Malcolm Leto, dem Ersten beziehungsweise Letzten seiner Art.«
    Ihr könnt euch unmöglich vorstellen, wie es war, in der Community zu leben. Schon die Zahlen werden euer Begriffsvermögen sprengen. Eine Gemeinschaft aus sechs Milliarden Menschen. Sechs Milliarden, die ein Mensch waren.
    Die größte Synthese der Menschheitsgeschichte, eine synergetische Verbindung aus menschlicher und maschineller Intelligenz. Ich war ein Teil davon, zumindest eine Zeit lang. Dann war sie weg, und ich immer noch hier. Die Community hat sich von dieser Realität losgelöst und mich zurückgelassen.
    Ich habe Biochips entworfen, das war mein Job. Ich habe Molekularprozessoren gezüchtet, die unverzichtbare Voraussetzung für die Verbindung zur Community. Zum Beispiel diesen hier. Er wird auf den Hinterkopf aufgepflanzt und verbindet sich mit den Lappen der Großhirnrinde und dem Kleinhirn.
    Wir wollten den Datendurchsatz erhöhen. Die Grundlagen waren alle schon da, aber wir – also ich, Gillian und Henry – wollten eine leistungsfähigere Transportschicht zwischen den elektrochemischen Impulsen des Hirns und den Schaltkreisen des Chips erarbeiten, denn dort lag der eigentliche Engpass: in der langsamen Hardware des menschlichen Hirns.
    Uns wurden verschiedene Aufgaben zugeteilt, uns und hunderttausend Kollegen. Während ich im Bett lag und schlief, graste irgendein anderer ein ganzes Forschungsgebiet ab. Die Community war die größtmögliche Ansammlung wissenschaftlicher Kenntnisse. Manchmal gelang es uns, einen entscheidenden Durchbruch zu erzielen, der Tausende Mitarbeiter ungeahnte neue Wege einschlagen ließ. Aber meistens werkelten wir nur vor uns hin, luden unsere Ergebnisse hoch und warteten, bis jemand anderes eine neue Richtung vorgab.
    Als Individuen konnten wir den unglaublichen Fortschritt kaum begreifen, doch wenn wir in die Community eintauchten, stand uns alles glasklar vor Augen. Der große Plan. Heute entgleitet er mir jedes Mal, wenn ich ihn fassen will, aber er ist da, in meinem Kopf, wie ein Diamant aus konzentrierten Gedanken.
    In anderen Forschungsgebieten war es dasselbe. Für den Sprung vom Pferd zum Raumaufzug hatte die Menschheit ein ganzes Jahrhundert gebraucht. Wir brachten es binnen sechs Monaten von Unschärfewürfeln bis zu logischen Gattern – Heisenberg’schen UND -Gattern –, und zwanzig Tage später waren wir bei Quantenprozessoren und Qbits n-ter Ordnung angekommen. Eine Woche darauf spielten wir an der Struktur des Universums herum und öffneten hinter dem Orbit des Neptun das Rift.
    Stimmt schon, es klingt wirklich nach einem außer Kontrolle geratenen Aircar. Aber ihr könnt mir glauben, in Wirklichkeit entwickelten sich Wissenschaft und Technik in geordneten Bahnen, unter der strikten Aufsicht der Community.
    Soweit möglich, blieben wir immer in Verbindung mit dem Kollektiv, beim Arbeiten, Spielen, selbst

Weitere Kostenlose Bücher